Die Freundinnen Franziska und Nelli sind siebzehn und müssen ein Schulpraktikum
absolvieren. Franziska, die ihre Geschichte in der Ichform erzählt, wird in
einer psychiatrischen Klinik für Jugendliche arbeiten. Für Franziska wird die
Arbeit sicher nicht leicht, weil sie stark mit anderen mitfühlt. Sie will nicht
blauäugig durchs Leben rennen, ist ihr Motto. Psychische Probleme Jugendlicher
sind Franziska nicht fremd; denn zuhause bestimmt ihre Mutter, welches
Wunschgewicht die Tochter zu erreichen hat. Mit dieser anspruchsvollen Mutter im
Nacken scheint Franzi selbst auf dem besten Weg zu sein, ein gestörtes
Körperbild mit Auswirkungen auf ihr Essverhalten zu entwickeln. Franzis
Entscheidung für ein Praktikum in der Klinik belastet die Beziehung zu ihrer
Freundin, weil Nelli den Ernst psychischer Erkrankungen nicht einsehen kann und
will. Nelli verdrängt lästige Emotionen gern. Die Mädels verbindet dennoch
eine Freundschaft durch alle Höhen und Tiefen, und Franzi findet zusätzlichen
Rückhalt bei ihrer älteren Schwester. Der Siebzehnjährige steht eine Prüfung
bevor, bei der über ein Stipendium an einem australischen Musik-College
entschieden wird.
Am ersten Tag ihres neuen Lebens erhält Franziska in der Klinik am See von
ihren Betreuern den Rat, sich nicht mit Patienten anzufreunden. Unter
Gleichaltrigen ist das leichter gesagt als getan. Die Begegnung mit dem Jungen
Tucker trifft Franzi prompt mitten ins Herz. Tucker hat seit dem Tod seiner
kleinen Schwester nicht mehr gesprochen und zieht täglich allein seine Bahnen
im Schwimmbad der Klinik. Nachdem Tucker sich ihr geöffnet hat, muss Franziska
sich nun zwischen Australien und der Verantwortung für den schweigsamen Jungen
entscheiden. Die vertraute Beziehung zu Nelli bringt Franziska aus den
emotionalen Turbulenzen wieder auf festen Boden, auch wenn Nelli sehr direkt
nach Franzis Helfersyndrom bohrt. Franzis Universum aus überkritischer Mutter,
fürsorglicher Schwester und bester Freundin wird vierzehnjährigen Leserinnen
ein wissendes Lächeln ins Gesicht zaubern.
Alexa Hennig von Lange lässt ihre junge Protagonistin als Beobachterin der
Schicksale Gleichaltriger auftreten. Laut Nachwort steht die Klinik am See für
eine Klinik, in der die Autorin selbst Patientin war. Ihre kurze Begegnung mit
psychisch kranken Jugendlichen wirkt für Franzis Entwicklung wie ein
Katalysator. Sich über die eigenen Motive für die Wahl eines Berufes klar zu
werden, ist an der Schwelle zum Berufsleben ein wichtiges Thema, das weitgehend
realistisch und mit Sensibilität berührt wird. Sicher kann man darüber
streiten, wie realistisch die gezeigten intensiven Beziehungen einer
Schulpraktikantin zu psychisch kranken Gleichaltrigen in einer Klinik sein
können.
Fazit
Mit ihren oft sprunghaften Emotionen auf dem Weg zum persönlichen Glück sind
Alexa Hennig von Lange in ihrer zarten Liebesgeschichte glaubwürdige Figuren
mit Identifikationspotential gelungen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 27. Juli 2015 2015-07-27 08:27:47