Grass eigentlichstes Metier ist bekanntlich der Roman; deswegen und weil nicht
alle Gedichte seines neuesten Gedichtebandes "Letzte Tänze" geglückt
sind, eignet sich dieses Buch für Grassliebhaber und für jene, die auf
Gedichte, die an die Brillanz der 1956er "Die Vorzüge der
Windhühner" nicht anknüpfen, nicht verzichten wollen. Dieses Buch kostet,
für den Umfang, den es bietet, ein kleines Vermögen; dafür erhält man neben
Grasscher Dicht- Grassche Bildkunst - - ekstatisch tanzende, wild ineinander
verschlungene, sich erschöpfende, kopulierende Paare, die etwas komisch
Halbtotes an sich haben, Circus spielen, mit dem Kopf unter Arm Purzelbäume
schlagen; vielleicht muß man das mögen, mich langweilte es. Nicht überzeugt
hat mich die orangene Einfärbung der "Liebesgedichte", das entspricht
weißen Buchstaben in einem Gedicht über Wolken.
Fazit
In seinen "letzten Tänzen" hat Grass sich bemüht, sexuelle
Kleinstbegebenheiten prägnant zu verkürzen; auf eine einheitliche Form hat
Grass wie in seinen anderen Gedichtbänden verzichtet; ähnlich früheren Werken
fällt die Wahl einiger Motive aus: Tanz, Hund, Schwan, Schnee, Pilze. Vieles
habe ich in diesem 96seitigen Werk nicht verstanden, z. B. die
"breitbeinige" Maria in "Lästerlich", einem Gedicht,
welches auf Grass' "katholische Herkunft" anspielt. Insgesamt bleibt
zu hoffen, dass dies weder Grass' letzte Tänze noch seine letzten Gedichte
sind.
Vorgeschlagen von Paul Niemeyer
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veröffentlicht am 30. Januar 2004 2004-01-30 20:07:23