Die neuen Mordgeschichten des Autors Gerhard Loibelsberger, die einen Zeitbogen
über die ersten Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts schlagen, spielen sich
diesmal recht "international" ab - die Ermittlungen führen nicht nur
ins alte Wien sondern ebenso nach Freiburg und ins romantische Venedig. Wieder
einmal lässt er seine spannenden Kriminalstorys mit viel Lokalkolorit vor
interessanten Hintergründen ablaufen, eingebunden in interessante
Milieustudien, die mit vielen typischen Wiener Ausdrücken untermalt sind und
daher ungemein authentisch wirken. Natürlich hat er - eingedenk des Lesers
Unkenntnis - ausreichend Fußnoten angefügt und ein Glossar hintangestellt,
sodass dem Verständnis der deftigen Sprache nichts im Wege steht. Der Kommissar
Joseph Maria Nechyba ist eine wunderbar charaktervolle Persönlichkeit mit Ecken
und Kanten, mit einer glücklichen Beziehung zu seiner geliebten Aurelia und
einer Vorliebe für landestypische Gerichte, die er sich genussvoll und
ausführlich zu Gemüte führt, nicht ohne sie mit den dazu passenden,
köstlich-frischen Getränken zu flankieren.
Seine Ermittlungsmethoden sind ausgefallen, nicht zimperlich in der Ausführung
und ungemein erfolgreich in ihrer Wirkung. Ganz gleich, ob er in einer
Einbruchssache beim Juwelier Löwenstein ermittelt und über der Suche nach dem
Mörder des Bernhardiners Max seine Krautrouladen im Ofen vergisst oder aus dem
Fenster seines Lieblingscafés Aloysius von Schönthal-Schrattenbach erblickt.
Da hält den Polizisten Nechyba gar nichts mehr. Nicht seine Freunde Leo
Goldbach, Scharfrichter Lang oder der Cafétier Kratochwilla, noch seine
geliebten Tarock Karten. Hier ruft die Pflicht und lässt ihn hinterher eilen.
Auch wenn er den Täter dank widriger Transportmittel nicht zu fassen bekommt,
und die Fluten des Donaukanals das Urteil über Aloysius sprechen müssen -
seinen Hut stromabwärts strudeln zu sehen kann auch Genugtuung für einen
Polizisten sein. Selbst die verspätete Hochzeitsreise nach Venedig lässt den
mitreisenden Leser schmunzeln, wenn mitten am Rialto zwei Wiener auf zwei
Berliner treffen, mit denen man zwar keine Buletten aber "Nudeln mit
Tunke" essen kann. Originell und "loibelsbergerisch". In Nechyba
zeichnet er hier einen einmaligen, ausgefallenen "Kiberer", den der
Leser so schnell nicht vergessen wird - ebenso wenig wie die ihn umgebenden
Protagonisten, die ausnahmslos typvoll und authentisch wirken. Dynamik und
Lokalkolorit machen solche Wiener Impressionen zu einer besonderen
"Krimi-Delikatesse".
Fazit
Wunderbarer österreichischer Kommissar mit Ecken, Kanten und ungewöhnlichen
Ermittlungsmethoden verschafft ein ungetrübtes Lesevergnügen. Wieder möchte
ich - ebenso wie für den "Todeswalzer" - gerne alle Sterne vergeben
und mich für den exzellenten wienerischen Lesegenuss bedanken.
Vorgeschlagen von brillenbaby
[Profil]
veröffentlicht am 19. Oktober 2014 2014-10-19 16:52:23