Die Französische Revolution (1789 bis 1799) stellt einen entscheidenden
Einschnitt in der Geschichte Europas dar. Resultierend aus dem Niedergang des
Ancien Regime, der alten Herrschaftsordnung im Königreich Frankreich und den
zahlreichen damit einhergehenden innenpolitischen Problemen, kam es nicht nur
zum Umsturz der alten Ordnung, sondern auch zu einem grundlegenden Neuanfang.
Der Anfangszeit, die geprägt war von den hohen Ideale der Revolution, die
plastisch in der bis heute zentralen Erklärung der Menschenrechte hervortreten,
folgte bald jedoch eine politische Katerstimmung. Die "radikalen
Kräfte" der Revolution nutzten die Ideale zur Rechtfertigung für den
zunächst zielgerichteten, bald aber zügellosen Terror des sogenannten
Wohlfahrtsausschusses. Am Ende etablierte sich keine stabile demokratische
Ordnung, sondern es kam zum erneuten Umsturz durch Napoleon - mit den bekannten
Folgen.
Johannes Willms ist zwar kein Fachhistoriker, er hat sich aber in den letzten
Jahren wiederholt mit der neuzeitlichen Geschichte Frankreichs
auseinandergesetzt. Am bekanntesten dürfte seine umfassende Napoleonbiographie
sein, wenngleich diese manch neuere Impulse der Forschung nicht aufgenommen hat.
Mit "Tugend und Terror" legt Willms nun die neueste und umfassendste
deutschsprachige Darstellung zur Französischen Revolution vor.
Das opulente Werk ist in fünf "Büchern" mit entsprechenden
Unterkapiteln gegliedert. Im ersten Buch bietet Willms dem Leser ein Gesamtbild
von der politischen Situation im Königreich Frankreich vor der Revolution und
der Krise in der Regierungszeit Ludwigs XVI. Die finanziellen Probleme und
Unzufriedenheit mit der politischen Lage führten zur Einberufung der
Generalstände, die seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr getagt hatten. Bald
zeichnete sich aber ab, dass dringende Reformen eingeforderten wurden, besonders
vom sogenannten "dritten Stand". Die Lage spitzte sich bis zur offenen
Revolution zu, die im zweiten Buch behandelt wird, wobei Willms' Darstellung die
unterschiedlichen Motive der Beteiligten skizziert: die Revolution
"zerfaserte" sich regelrecht. Es folgten verdeckte und offene
Machtkämpfe um die politische Richtung der Revolution und deren
"Export" (so geschildert im dritten Buch). Die Revolution hatte
inzwischen mehrere blutige Opfer gefordert, darunter den König selbst. Ludwig
XVI. war keineswegs ein tyrannischer Herrscher, er war sogar bestrebt, einigen
Forderungen entgegenzukommen, doch er war kein Reformer, kein energischer
Politiker und war mit der Lage schlicht überfordert. Doch diese Überforderung
betraf auch die Revolutionäre, wie im vierten Buch deutlich wird, wo die
"Schreckenszeit", der "Terreur", plastisch beschrieben wird.
In diesen Kapiteln wird überaus deutlich, wie hohe und gute Ideale entfremdet
und missbraucht werden können. Im fünften und letzten Buch schildert Willms
abschließend das Ende der Revolutionszeit, die weiterhin wenig stabile
politische Lage und den Staatsstreich Napoleons.
Fazit
Willms' Darstellung einer hochinteressanten und bewegten Zeit ist trotz des
Umfangs hervorragend lesbar. Seine Stärke ist die Erzählung und weniger die
strukturgeschichtliche Analyse, wofür es aber auch andere Darstellungen gibt.
Willms bedient sich allerdings durchaus neuerer Forschungsliteratur (ohne diese
freilich erschöpfend auszuwerten) und den zeitgenössischen Quellen, die er
immer wieder in die Schilderung einfügt. Entstanden ist eine breite, aber
angenehme Erzählung von oft leider weniger angenehmen Ereignissen. Die Akteure
der Revolution werden immer wieder in den Strom der Ereignisdarstellung
eingebettet. So sehr die Zeit des "Terrors" abschreckend wirkt, es
bleibt doch der Eindruck der bis heute gültigen Ideale und des gleichzeitig oft
vorhandenen menschlichen Versagens zurück - ein Aspekt, der nichts von seiner
Aktualität eingebüßt hat.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 07. Oktober 2014 2014-10-07 17:46:19