An sich werden Dienen und führend als Gegensätze betrachtet, auch wenn der
Gedanke an sich nicht neu ist (z. B. Österreichischer Kaiser als erster Diener
des Staates). Servant Leadership beginnt sich aber durchzusetzen als Teil von
Corporate Social Responsibility, zumindest in Erklärungen von Unternehmen und
Institutionen. Andererseits wird immer deutlicher, dass es wirtschaftliche,
soziale, ökologische Änderungen geben muss, um eine globale Katastrophe zu
vermeiden. Für die zweite Auflage wurden zahlreiche neue AutorInnen gewonnen
und andere überarbeitet. Der Sammelband versucht, möglichst alle Bereiche
abzudecken.
Der Band verfügt über eine angenehme Schriftgröße und einen relativ
angenehmen Schrifttyp. Überschriften sind fett gedruckt, Zitate kursiv.
Merksätze etc. sind gerahmt. Informative Grafiken, Bilder und Tabellen
ergänzen den Text. Der Schriftgrad des Literaturverzeichnisses und der
Anmerkungen ist klein, aber sonst wäre der Band zu umfangreich geworden. Der
Band ist sehr verständlich geschrieben. Kenntnisse auf dem Niveau einer
einschlägigen Berufsschule sind jedoch Voraussetzung.
Es ist äußerst wichtig, Führen auch einmal als Dienen zu betrachten und nicht
nur als Machtausübung. Sogar renommierte Institutionen empfehlen
Führungskräften Demut. Die Wichtigkeit dieses Prinzips haben sogar höhere
Militärs erkannt. Richtig erkannt wird auch, dass eine Akzeptanz durch die
Geführten erforderlich ist und die Einführung des Servant Leadership ein
längerfristiger Prozess ist. Die Gedanken sind überlegenswert, auch wenn ich
aufgrund negativer Erfahrungen mit dem Neoliberalismus etc. gegen die
"unsichtbare Hand" und für klare Regelungen bin.
Größere Einwände habe ich lediglich gegen die aus einer anderen Publikation
übernommene Tabelle aus dem Jahr 2003, die die "europäische" und die
"afrikanische" Kultur einander gegenüberstellt und wo der Verfasser
dazu neigt, letztere zu glorifizieren. Meine Kritik fängt schon an dem Punkt
an, dass keine der beiden "Kulturen" monolithisch ist, sondern sich
auch innerhalb des angesprochenen Kulturkreises erheblich voneinander
unterscheiden. Afrika hat die meisten Sprachen, entsprechend viele Ethnien mit
unterschiedlichen Kulturen wird es geben. Beim "Westen" ist auch nicht
klar, welche Gebiete damit gemeint sind, ich nehme aber an, dass es sich um
West-, Mittel- und Nordeuropa, die USA, Kanada, Australien und Neuseeland
handelt. Selbst zwischen diesen Ländern gibt es erhebliche Unterschiede. Und ob
die "afrikanischen Werte" besser sind als die europäischen, ist zu
hinterfragen. Warum ist "der Western" die erfolgreichere Region,
obwohl Afrika sehr reich ist und selbst über genügend Geld und Ressourcen
verfügt. Selbst Länder wie der Tschad verfügen über zumindest ausreichende
Geldmittel. Warum haben sich Österreich und Deutschland, die spätestens 1945
LLDC-Niveau hatten, sich binnen zehn Jahren wieder erholt und gehörten relativ
schnell zu den reichsten Ländern der Erde? Beide Länder mussten zudem ihre
(nicht-private) Entwicklungshilfe, die ERP-Gelder, wieder zurückzahlen,
während die an afrikanische Länder oft genug als uneinbringlich abgeschrieben
wird? Und auch sehr viele private Spenden seit Jahrzehnten nach Afrika gelangen,
während bei Österreich und Deutschland die Spenden nur einige Jahre
erforderlich waren und beide Länder mittlerweile selbst an die damaligen
Organisationen u. a. für Afrika spenden, Paradebeispiel CARE?
AfrikanerInnen und Personen, die sich dort lange aufgehalten haben, kritisieren
folgende Punkte (abhängig von der Region): Es lohnt sich für breite Schichten
nicht, mehr zu verdienen, da man den Mehrverdienst teilen muss, so dass sich
mehr Leistung nicht lohnt. Manche fahren sogar auf an sich nicht erforderliche
Dienstreisen, damit sie nicht alles teilen müssen. Wer mehr leistet, zieht sich
den Neid anderer zu, weitaus schlimmer als in eher egalitären westlichen
Ländern wie Österreich. In Extremfällen werden sogar Hexer und Hexen bemüht,
um dem Erfolgreichen zu schaden. Der Respekt gilt primär nur für
Höherrangige, Männer, die "richtige" Ethnie, die
"richtige" Religion...Kastenartige Gesellschaftsstrukturen wirken sich
ebenfalls mehr als ungünstig aus (nur Südasien hat mehr absolut Arme als
Afrika). Auch die "Kommunikation" wird nicht unbedingt positiv
gesehen, etwa bei AIDS: In Afrika bespricht man alles gerne öffentlich,
sensible Dinge sollten aber vertraulich bleiben. Man kann durchaus von Afrika
lernen (was Europa übrigens seit Jahrtausenden macht), aber umgekehrt muss
"Afrika" vom Westen lernen, wenn es seine Ressourcen voll entfalten
will. Manche Kritikpunkte beim Westen werden übrigens Augustinus zugeschrieben,
der bekanntlich aus Nordafrika stammt und dort auch lange Zeit wirkte. Ich
verteufle die Ubuntu-Philosophie nicht, man kann nicht ständig andere
dominieren und auf deren Kosten leben, aber an sich sollte im Berufsleben das
Individuum seinen Platz haben und die individuelle Leistung im Vordergrund
stehen und nicht das Kollektiv. Eher kollektivistische Ideologien, egal, woher
sie stammen, unterdrücken die Einzelperson und hemmen wegen ihrer
Gleichmacherei den Leistungswillen.
Fazit
Der Band ist Studierenden/SchülerInnen/Auszubildenden
wirtschaftswissenschaftlicher und kaufmännischer (Aus-)Bildungsgänge, der
Psychologie, Soziologie, Berufspädagogik, Philosophie, Theologie, vielleicht
auch höherer Schulen, Fach- und InteressensvertreterInnen und natürlich allen
Führungskräften unbedingt zu empfehlen. Die Inhalte betreffen aber jedeN,
der/die mit Menschen zu tun hat.
Vorgeschlagen von Brigitte Ecker
[Profil]
veröffentlicht am 05. September 2014 2014-09-05 19:50:10