Das vorliegende Buch ist eine wirklich sehr gelungene Kurzeinführung in
Lebenswerk und Politik der beiden Politiker, die zwischen 1961 und 1963 als
Gegenspieler an der Spitze ihrer Staaten USA und UdSSR standen und durch die
Kuba-Krise in eine direkte Konfrontation miteinander gerieten. Glücklicherweise
siegte bei beiden Politikern der Wille zum Kompromiß und so der gesunde
Menschenverstand. Es dürfte daher kein Zufall sein, dass diese Duographie
(Doppelbiographie) mit einem Zitat des letzten Briefes von Jacqueline Kennedy an
Chruschtschow nach Kennedys Ermordung beginnt: "Sie und er waren Gegner,
die jedoch die Überzeugung verband, daß man die Welt nicht in die Luft
sprengen darf."
Wie kamen beide Politiker an die Spitze ihrer Staaten? Wie entwickelten sie ihre
Vorstellungen? Welches war ihre konkrete Politik? Wie sah ihr Gesellschaftsbild
aus?
In dieser faszinierenden Biographie werden Leben und Werk beider Protagonisten
ausführlich gewürdigt. Der Aufstieg Chruschtschows unter Stalin, seine
Prägung durch den sowjetischen Diktator einerseits, seine allmähliche Lösung
von ihm und dessen Vorstellungen andererseits bis zur Entwicklung
eigenständiger Vorstellungen - die Entwicklung vom kleinen Pinja zum russischen
Herrscher - wird insbesondere bei Chruschtschow faszinierend nachgezeichnet. Bei
Kennedy wird im Anfangskapitel dagegen verdeutlicht, wie wichtig familiäre
Beziehungen gewesen sind. Wurde Chruschtschow durch Stalin geprägt, so war
Kennedys Vorbild Roosevelt - auch wenn es über die Appeasement-Politik und die
Haltung gegen Deutschland große Meinungsverschiedenheiten zwischen Joe Kennedy,
dem Vater des Präsidenten, und Roosevelt gab, so dass Joe Kennedy von einem
Botschafterposten abberufen wurde. Trotzdem arbeitet sich Kennedy zäh nach
oben, wird 1956 Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten - allerdings ohne
Chance gegen den populären Eisenhower. 1961 schafft es der junge, dynamische
Hoffnungsträger, Eisenhowers Vizepräsidenten knapp zu besiegen. Kennedy und
Chruschtschow - der Intellektuelle und der Bauernsohn - verkörperten je auf
ihre Weise einen Traum - wie Kennedys Inaugurationsrede vom 20. Januar 1961
verdeutlicht, dass Kennedy den "amerikanischen Traum" verwirklichen
wollte: "Sie [die Rede; B.N.] beschrieb die Vision eines neuen
fortschrittlichen Amerikas, das an die großen revolutionären Traditionen
seiner Geschichte anknüpfen und in der Lage sein würde, Schwierigkeiten im
Innern wie im Internationalen Leben zu lösen und zu neuer Größe
aufzusteigen" (S. 66). Auch Chruschtschow verkörperte nach Stalins Tod
Hoffnungen, die insbesondere mit seiner Entstalinisierung und seiner Entlarvung
der grausamen Praktiken Stalins auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 einen
Höhepunkt erreichten. "Allmählich reiften die Voraussetzungen für einen
weitergehenden gesellschaftlichen Wandel und ein geistiges Erwachen heran.
"Die dumpfe Angst, der blinde Glauben begannen zu weichen""(S.
65).
So faszinierend die biographischen und gesellschaftlichen Details in dieser
Einführung geschildert werden, so kommen Einzelheiten der Wirtschafts- und
Außenpolitik etwas zu kurz. Dies wird insbesondere in Kapitel 4: "Big
business und Großer Plan" deutlich. Insbesondere die Widersprüchlichkeit
der Wirtschaftspolitik Chruschtschows, der ständig zwischen Zentralisierung und
Dezentralisierung in seiner Wirtschaftspolitik schwankte, kommt eindeutig zu
kurz. Richtig bleibt jedoch die Feststellung auf S. 106, dass sich der Kremlchef
aus der Umklammerung des bürokratischen Apparates lösen, dessen Befugnisse
einschränken und ihn gleichzeitig effektiver machen wollte. Beiden,
Chruschtschow und Kennedy, war auch in der Wirtschaftspolitik gemeinsam, dass
sie ihre Gesellschaften auf der Basis ökonomischer Veränderungen reformieren
wollten, ohne die gegebenen Herrschaftsstrukturen in Frage stellen wollten (S:
109). Dennoch kommt eine kritische Würdigung insbesondere der zum Teil recht
chaotischen Wirtschaftspolitik Chruschtschows zu kurz. Auch die Außenpolitik,
die im 5. Kapitel analysiert wird, kommt leider zu kurz. Insbesondere die
Kuba-Krise, die die Welt an den Rand des atomaren Abgrundes brachte, wird zwar
in ihren wesentlichen Abläufen auf S. 126- S. 141 dargestellt und bewertet,
ihre Gewichtung ist jedoch angesichts der zentralen Bedeutung der Krise für die
beiden Protagonisten nicht ausreichend. Auch die Behauptung, der entscheidende
"erste" Brief Chruschtschows vom 26. Oktober 1962, in der die
wesentlichen Vorschläge zur Lösung der Krise - Abzug der sowjetischen atomaren
Mittelstreckenraken gegen eine Nichtangriffsgarantie der USA, sei vermutlich
ohne Wissen des Parteipräsidiums (zwischen 1952 und 1966 Name des sowjetischen
Politbüros, des Führungsgremiums der UdSSR) erfolgt, kann nach heutigen
Erkenntnissen, insbesondere der Erkenntisse Dimitri Wolkogonows in seinem Buch:
"Die sieben Führer" und Brauburgers: "Nerv!
enprobe" (zumindest ersteres war dem Autor bekannt, er führt es in seinen
Quellen auf) nicht aufrechterhalten werden.
Auch die Problematik des Vietnamkrieges wird äußerst kursorisch - auf 2
Seiten, S. 149/50! - abgehandelt.
Sehr gut gelungen allerdings ist wiederum das letzte Kapitel: "Der
gewaltsame Abschied und das leise Vergessen", die die Ermordung Kennedys
1963 und den Sturz Chruschtschows ein Jahr später behandeln und die Wirkung der
beiden Politiker untersucht. Die Bilanz ist sehr interessant zu lesen, da sich
der Autor um differenzierte Einschätzung beider Persönlichkeiten bemüht -
dies ist ihm gelungen.
Fazit
Eine sehr gute erste Einführung, die zahlreiche Quellen, die am Ende
aufgeführt sind, berücksichtigt, allerdings gewisse Schwächen in der
Darstellung politischer Einzelbereiche, insbesondere der Wirtschafts- und der
Außenpolitik enthält. Absolute Stärke des Buches ist der "psychologische
Falkenblick", mit dem die unterschiedlichen Charaktere der beiden
mächtigsten Männer ihrer Zeit beleuchtet und ihr Aufstieg geschildert wird.
Daher absolut lesenswert.
Wer neugierig geworden ist und mehr Material zu dieser Epoche lesen möchte, der
sei auf das Buch: "
Powergame, Kennedy und
Chruschtschow" von Michael Beschloss verwiesen (auf das der Autor im
Quellenverzeichnis auch verweist), der diese Einführung vertieft.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 14. Januar 2004 2004-01-14 20:47:30