Das vorliegende Tagebuch Helmut Kohls trieft leider vor Selbstgerechtigkeit und
Larmoyanz. Es ist sicherlich legitim, dass Helmut Kohl seine Sicht der Dinge,
auch der Spendenaffaire, darstellt. Es ist sicherlich auch korrekt, dass zum
Teil in der Presse zumindest unbewiesene Behauptungen gegen Kohl lanciert
wurden. Die Selbstgerechtigkeit, mit der er - ohne einen Funken Selbstkritik -
über sein Verhalten in der Spendenaffaire kokettiert, Personen wie Richard von
Weizsäcker und andere in übelster Form abqualifiziert, ist jedoch
erschreckend. Sie zeigt mir, was der Bundesrepublik fehlt: eine
Amtszeitbegrenzung für das wichtigste Amt im Staat, das des Bundeskanzlers.
Dieser gehört für mich nach zwei Legislaturperioden abgelöst. Der Mann
verliert einfach Bodenhaftung. Um nicht ungerecht zu sein: es geht hier nicht um
parteipolitische Abrechnungen: die Memoiren von Wolfgang Schäuble (Mein Leben)
sind in ihrer Nachdenklichkeit wesentlich interessanter und reflektiver. Wie
Kohl Schäuble in dem Buch behandelt, ist wirklich schlimm: dabei hätte Kohl
durch einen rechtzeitigen Abgang und durch einen zeitigen Stabwechsel an
Schäuble die Wahlniederlage der CDU vielleicht in dieser verheerenden Form
abwenden können. Aber er ist durch und durch Machtpolitiker in dem Sinne, erst
ich, dann die Partei (die bin ich), dann das Land (das bin ich) - ganz das
Gegenteil, was er am Abend des 27.09.1998 in die Fernsehkameras sagte. Nun
leiden Memoiren natürlich daran, dass der Schreiber zu oft die kritische
Distanz an der Person verliert, auch Genschers Memoiren leiden daran. Aber eine
solche Selbstgerechtigkeit und Uneinsichtigkeit hätte ich von einem früheren
Bundeskanzler doch nicht erwartet.
Fazit
Die Memoiren zeigen für mich: Kohls Abgang war überfällig.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 14. Januar 2004 2004-01-14 20:43:14