Seit Jahren hat Daniel kein festes Dach mehr über den Kopf, seit eine Affäre
mit einer verheirateten Frau ihn aus der Bahn warf. Als sie ihn mit dem
gemeinsamen Kind verließ, brach endgültig sein Herz. Jetzt streift er durch
die Straßen Londons, um seine Tochter zu finden, die er noch nie gesehen hat.
Auch Alice ist auf der Suche. Sie ist das schwarze Schaf der Familie. Mit dem
bürgerlichen Leben ihrer Schwestern kann sie nicht viel anfangen und reist
daher um die Welt. Als ihr Vater an Krebs erkrankt kehrt sie nach London
zurück. Auf seiner Beerdigung trifft sie einen Obdachlosen, der kurz darauf vor
ihrer Tür steht.
"Alice, wie Daniel sie sah" ist der Debütroman der Britin Sarah
Butler. Ihr Werk ist eines dieser Bücher, bei denen man selbst am Ende nicht
weiß, wie man es für sich einordnen soll. Im Wechsel erzählt sie, jeweils in
der Ich-Perspektive, die Geschichte von Alice und Daniel. Hier ist schon mal ein
recht aufmerksames Lesen erforderlich, da an einigen Stellen nicht ganz klar
ist, aus wessen Sicht gerade erzählt wird. Hinzu kommt, dass beide Figuren zwar
interessant sind, mich aber ihre Geschichte nicht wirklich packen konnten.
Sowohl Daniel als auch Alice bleiben distanziert. Auf das von Daniel so
vorangetriebene Farbenspiel (er sieht in weggeworfenen Dingen Farbe, die den
Namen seiner Tochter bilden), hat sich mir nicht wirklich erschlossen.
Dabei ist die Sprache von Sarah Butler ausgesprochen gut. Im Ansatz schafft sie
es, mir ein Lächeln oder eine Träne zu entrücken oder ein Nachdenken in Gang
zu setzen. Doch immer wenn ich glaubte einen Zugang zur Geschichte gefunden zu
haben, klappte die Tür zu und ich stand wieder außen vor. So verging Seite um
Seite, ohne das ich ein wirklich Feuer für den Roman entwickeln konnte.
Wie Sarah Butler in der Danksagung schreibt, ist der Roman eine Liebeserklärung
an London. Der Stadt, in der sie die letzten Jahre verbracht hat. Diese
Atmosphäre atmet auch der Roman aus. Hier sind es die kleinen Details, die das
Bild von London für den Leser plastisch und vorstellbar machen. Was ihr mit den
Figuren nicht gelungen ist, hat sie, zumindest bei mir, mit dem Schauplatz
erreicht.
Fazit
"Alice, wie Daniel sie sah" ist ein schwieriger Roman. Wer den Zugang
zu den beiden Protagonisten findet, wird sicherlich in höchsten Tönen von
diesem Werk schwären, der stellenweise sehr poetisch ist. Wer wie ich, ein
wenig außen vor steht, wird den Roman eher als stiller Beobachter begleiten und
sich bei der Lektüre nicht wirklich wohl fühlen. Schade, denn ich hatte mir
von dem Roman mehr versprochen.
Vorgeschlagen von Michael Krause
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veröffentlicht am 06. März 2014 2014-03-06 17:42:33