Gleich auf der ersten Seite konfrontiert der Autor Gunter Dueck seine Leser mit
dem Leitgedanken dieses Buches: Vernunft ist zu neunzig Prozent Trieb. Was dann
folgt sind Fakten, Fakten, Fakten. Das ist auch nötig. Denn es ist zunächst
schwer zu glauben, das in unserer hochtechnischen, keimfreien Welt so was
natürliches wie Trieb eine Überlebenschance hat.
Recht anschaulich vergleicht der Autor unsere positiven und negativen
Empfindungen mit einem Seismographensystem, das unablässig an uns ruckt und
zuckt und uns antreibt. Ebenso beindruckend wird Maslows Bedürfnispyramide,
ähnlich einem Baukastenset, auseinandergenommen und neu angeordnet. Das war
längst fällig. Erstaunlich das sich vorher keiner an diese ikonengleiche
Pyramide herangewagt hat. Dem Leser wird Schritt für Schritt haarklein der
Unterschied zwischen Bedarf und Bedürfnis erläutert. Wichtig, denn unsere in
Fleisch und Blut (Trieb!) übergegangene Vorstellung, bedarf einer gedanklichen
Überprüfung und möglicherweise Korrektur.
Gefangen in Fromm's Welt des Habens, streben zumindest die Leistungsträger auf
Platz eins, die vorderen Plätze, mindestens zum ersten Drittel will man
gehören. Ziele sind wichtig, Veränderungen auch, egal ob etwas gut und wohl
getan ist, es muss noch besser werden. Diese Sucht/Trieb findet der Autor auf
allen Betriebsetagen unserer heutigen Arbeitswelt, einschließlich im
Schulsystem und auf dem Campus. Wenn es nicht durch eigene Kraft alleine reicht,
wird getrickst, geschummelt und auch betrogen. Der Vergleich mit dem Darwinismus
liegt nahe und wird auch vom Autor treffend angebracht.
Was ist geschehen? Wie ist es dazu gekommen? Sind die Systeme schuld? Dueck
entwickelt viele neue teilweise kunstvoll gewählte Begriffe für etwas, das
vorher nur als Rationalisierung bekannt war. Anfangs war Rationalisierung sicher
sinnvoll. Doch inzwischen wurden die Techniken so perfektioniert, dass bei
manchen Unternehmen, so Dueck, verglichen man sie mit einen Gyros, nur der Stab
überblieb. Ist es unser Schicksal mit dem Spaceshuttle in den Abgrund zu
fliegen?
Fazit
Duecks Thesen und Argumente gehen unter die Haut, die Beispiele aus allen
Lebensbereichen sind zum Greifen echt. Jeder kennt sie und erlebt sie
tagtäglich. Gut ist das alles nicht, sagt uns unser Bauch. Doch was können wir
dem entgegensetzen? Zwanzig Prozent Lohnverzicht (und Wiedereinführung des
Hesselbach'schen Betriebsklima) denkt der Autor an. Es ist nicht wirklich ein
Vorschlag, eher ein Ansatz. Dueck's (eigentlich unser aller) Suche nach der
Arbeitswelt von morgen ist noch zu Ende.
Das Buch enthält ein übersichtliches Inhaltsverzeichnis und ein kurzes
Literaturverzeichnis. Das Werk ist als Fortsetzung des vorangegangenen Bandes
Omnisophie zu sehen. Bleibt zu hoffen, das der Autor seine Ankündigung wahr
macht und auch den dritten Band Topothesie folgen lässt.
Vorgeschlagen von Lothar Hitzges
[Profil]
veröffentlicht am 03. Januar 2004 2004-01-03 15:09:22