Auf akademischen Spuren. Der Platz vor dem Audimax der Universität Hamburg ist
eigentlich kein ungewöhnlicher Aufenthaltsort für einen Studenten der
Rechtswissenschaften, aber dieser hier liegt tot, elegant gekleidet, mit dunklem
Cardigan, weißem Hemd und schwarzem Wollmantel, im winterlich-eisigen Wasser
des künstlich angelegten Beckens und seine teure Designer-Uhr funktioniert noch
und zeigt 19:51. Eher ungewöhnlich ist jedoch der Ermittler, der zu diesem Fall
gerufen wird. Christoph Schönlieb, erst 26 Jahre alt und wahrhaftig kein
Allerwelts-Typ, ist auf Grund günstiger Umstände und Protektion recht schnell
nach Beendigung seiner Ausbildung der Mordbereitschaft zugeteilt worden, obwohl
er für die Arbeit in diesem Team eigentlich einige Lebensjahre mehr und eine
größere Berufserfahrung benötigt hätte. Diese Ansicht vertritt auch sein
älterer Kollege Harald Wallner, was nicht gerade zum entspannten Arbeitsklima
beiträgt.
Ungeachtet dessen teilt Kommissar Holding, sein Vorgesetzter, ihm diesen Fall zu
und so ruft ihn die Pflicht zum Halbzeit-Anpfiff aus dem Stadion seiner
Lieblingsmannschaft FC St. Pauli zum Tatort auf dem Uni-Gelände. Die ersten
interessanten Hinweise bringen ihn auf die Spur von "Neuro-Enhancern",
Medikamenten, die von den Studenten zur Leistungssteigerung und
Konzentrationsoptimierung eingenommen werden und natürlich auf Grund der
Rezeptpflichtigkeit meist auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. Gehörte der
Tote zu den Dealern? Waren ihm die Geschäfte mit den Arzneimitteln zum
Verhängnis geworden? Musste man den Mörder in seiner Freundes-Clique oder
unter seinen Kunden suchen? Als verdeckter Ermittler taucht Schönlieb in die
Studentenwelt ein. Geraume Zeit später erst, als ein weiterer Mord endlich
Licht in das dunkle Geflecht bringt, erkennt Schönlieb die Abgründe und den
wahren Ursprung der Verbrechen.
Ein ungewöhnlicher, flüssig geschriebener, intelligenter Kriminalroman, der
mit Gegenwartsbezug und viel Liebe zum Detail gestaltet ist. Schlüter bringt
Personen als Protagonisten, die sich dem Leser schnell als unverwechselbar
einprägen und teils von ausgefallener Charakteristik sind. Der Autor vermittelt
die Geschichte in glaubhafter, allmählich Spannung aufbauender Form, in der
minimale Hinweise gegeben werden, die nachher in logischer Auflösung erneut
auftauchen und dadurch Authentizität bieten. Facettenreiche und interessante
Ermittlungen führen den Leser über unterhaltsame dreihundert Seiten zu einem
überraschenden, effektvollen Ende. Hier sind keine "Neuro-Enhancer"
erforderlich - für Konzentration und Spannung ist gesorgt. Kristian Schlüters
Debüt ist meiner Ansicht nach ein gelungener Zehn-Sterne-Start.
Fazit
Kristian Schlüters Erstlingswerk hebt sich durch seine interessanten
Protagonisten aus der Vielzahl von Kriminalromanen hervor und bietet zusätzlich
ein sehr aktuelles Thema an.
Vorgeschlagen von brillenbaby
[Profil]
veröffentlicht am 05. Januar 2014 2014-01-05 10:08:43