Erich Sassbeck ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Auf einem U-Bahnhof wird
der Rentner von zwei Jugendlichen brutal zusammengeschlagen. Doch plötzlich
erscheint ein Retter, der die beiden Jungen an Ort und Stelle hinrichtet. Die
Polizei hält jedoch Sassbeck für den Täter. Allerdings findet der Journalist
Ingo Praise Indizien und Beweise dafür, das die Aussagen des Rentners richtig
sind. Mehr noch. Immer wieder taucht der Todesengel in der Stadt auf und richtet
Täter hin, die sich an wehrlose Opfer vergreifen. Für die Medien ist dies
natürlich ein gefundenes Fressen. Praise bekommt eine Fernsehsendung mit dem
Titel "Anwalt der Opfer" ohne zu ahnen, das er damit in einen Strudel
gerät, an dessen Ende eine Katastrophe wartet.
Für seinen neuen Roman hat der in Frankreich lebende deutsche Autor Andreas
Eschbach ein brisantes Thema angefasst: Selbstjustiz. Werden Opfer die sich
wehren, härter bestraft als die eigentlichen Täter?
In ganz unterschiedlichen Handlungsebenen lässt Andreas Eschbach seine Figuren
agieren. Mit Ingo Praise hat er eine Hauptfigur erschaffen, die ein wenig Zeit
braucht, um dem Leser wirklich sympathisch zu sein. Allerdings wirkt sie dadurch
absolut authentisch. Es ist ein ganzer Figurenkosmos, den Andreas Eschbach für
sein Szenario entworfen hat. Dazu gehören 4 Freunde, die vor über 15 Jahren
Opfer eines Verbrechens geworden sind und ganz unterschiedlich mit dieser
Erfahrung umgegangen sind ebenso wie die Ex-Freundin von Ingo und deren neuer
Lebensgefährte.
"Todesengel" ist auch eine überaus lesenswerte Mischung aus
Gesellschaft- und Medienkritik. Immer wieder wirft Andreas Eschbach die Frage
auf, ob Steuersünder härter bestraft werden, als Körperverletzter. Und der
Autor wirft einen Blick in die Medienwelt, die sich gerne auf solche Storys
stürzt, dabei aber oft nur die Quote im Blick hat.
Das liest sich über weite Strecken ganz ausgezeichnet. Zwar gibt es im
Mittelteil ein paar Längen, jedoch gleicht das Thema und der Kern der
Geschichte dieses Manko absolut aus. "Todesengel" ist kein Thriller
für den schnellen Lesegenuss. Im Gegenteil: Der Roman liefert genug Zünd- und
Gesprächsstoff um nachhaltig zu wirken. Und welcher Thrillerautor kann dies
schon von sich behaupten?
Fazit
"Todesengel" ist sicher nicht der spannendste Thriller des Jahres.
Aber er ist einer der wichtigsten deutschen Romane des Jahres 2013. Andreas
Eschbach nähert sich einem aktuellen und brisantem Thema auf ausgesprochen
hochwertige Weise, die den Leser zum Nach- und Mitdenken anregt. Ein wichtiges
und noch dazu überaus unterhaltsames Buch!
Vorgeschlagen von Michael Krause
[Profil]
veröffentlicht am 13. Oktober 2013 2013-10-13 15:44:57