Das Blut auf dem Fußboden erreicht schon Galyas Zehen und berührt sie als
seien es die warmen Küsse des Sterbenden, dessen Augen auf sie gerichtet sind
und ihr die Trübung des nahenden Todes zeigen. Den Tod hatte sie selbst ihm
gebracht, als er versuchte, sie zur Prostitution zu zwingen, nachdem sie aus der
Ukraine nach Nordirland gekommen war, um sich den Traum von einem besseren Leben
zu erfüllen. Der Tote ist Tomas Strazdas, der Bruder des Mafia-Bosses Arturas,
und damit ist Galya dessen unerbittlicher Rache ausgeliefert. Auch wenn ihr die
Flucht vorerst gelingt, wird er mit allen Mitteln versuchen, sie zu vernichten,
um dem Befehl seiner Mutter Folge zu leisten, die Hure sterben zu lassen, die
ihren Lieblingssohn auf dem Gewissen hat. Der Belfaster Ermittler Jack Lennon
erkennt die Gefahr, in der sich die junge Frau befindet und versucht, ihr zu
helfen, wodurch er selber zum Gejagten wird und in die Schusslinie eines
fanatischen Killers gerät.
Mit flüssiger Sprache, kurzen Kapiteln, ständig wechselnden Perspektiven und
eindringlich dargestellten Protagonisten entwickelt Stuart Neville einen
außerordentlich hohen Spannungsbogen für seinen neuen Thriller. Die vorwiegend
düstere Atmosphäre wirkt beklemmend, beängstigend und bösartig. Neville
führt den Leser auf von Brutalität, Menschenverachtung und fanatischer
Perversion gezeichneten Pfaden durch einen Roman, der hohe Ansprüche an die
Belastbarkeit des Lesenden stellt und oft die Frage aufkommen läßt, ob noch
Erträglichkeit vorhanden ist. Andererseits läßt das Schicksal der
Protagonisten, speziell das der jungen Frau, den Leser nicht aus der psychischen
Umklammerung, ohne dass sich die ganze Geschichte in ihrem Ende offenbart. Ein
anspruchsvolles Leseerlebnis, bei dem der Leser selbst entscheiden muss, ob er
der Anforderung dieses schonungslosen Alptraums menschlicher Abgründe gewachsen
ist. Wer einen Thriller ohne Einschränkung erwartet, wird sicherlich dafür
sein, hier alle verfügbaren Sterne zu vergeben, und so schließe ich mich an.
Fazit
Verstörend gut. Abgründig, beklemmend und böse - Nevilles Albtraum.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 12. Oktober 2013 2013-10-12 18:44:02