Das vorliegende Buch ist Teil der im Verlag C.H. Beck erscheinenden Reihe
"Geschichte Europas". In insgesamt 10 Bänden wird darin von
ausgewiesenen Fachleuten in jeweils relativ knapper Form die Geschichte des
europäischen Raums von der Antike bis in die Gegenwart geschildert. Geschichte
einem Lesepublikum zu vermitteln erfordert nicht nur Fachwissen, sondern auch
die Fähigkeit komplexe Sachverhalte auf einem beschränkten Raum komprimiert zu
vermitteln, ohne unnötig zu vereinfachen. Eine Darstellung der Geschichte
Europas ist insofern ein noch wesentlich schwierigeres Unterfangen, da gerade in
den ersten Bänden dieser Reihe längere Zeiträume betrachtet werden und
bereits dies Mut zur Lücke erfordert, ohne jedoch entscheidende Ereignisse oder
Konturen zu unterschlagen.
Den Zeitraum von 700 bis 1200 behandelt Rudolf Schieffer, ein Experte für die
karolingische Zeit und bis 2012 noch Präsident der Monumenta Germaniae
Historica, der wichtigsten deutschen mediävistischen Forschungseinrichtung. Der
gewählte Zeitraum ist recht ungewöhnlich, da so das Frühmittelalter und der
Großteil des Hochmittelalters zusammenfassend betrachtet werden. Das hat Vor-
und Nachteile, gerade auf so einem beschränkten Raum überwiegt jedoch m. E.
eher letzteres. Dennoch gelingt es Schieffer, die Grundlinien der Entwicklung
klar und anschaulich zu schildern.
Schieffers Darstellung bietet im ersten und letzten Kapitel einen knappen
Überblick hinsichtlich der Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.
Dazwischen wird in drei großen Kapiteln vor allem die politische Geschichte
Europas geschildert. Dies geschieht in breiter Perspektive, es wird also nicht
nur das lateinische "Kerneuropa" betrachtet, sondern auch Skandinavien
und Osteuropa, Byzanz und die islamischen Herrschaften. Dies ist ausgesprochen
erfreulich, zumal es Schieffer gut gelingt, die Entwicklungslinien vom
"karolingischen" Europa hin ins Hochmittelalter darzustellen. Der
Titel "Christianisierung und Reichsbildung" fasst das Kernelement
dieser Zeit zusammen: die Ausweitung des Christentums nach Nord- und Osteuropa
sowie die neuen Reiche, die teilweise die Keimzelle heutiger Staaten bilden.
Fazit
Schieffers Darstellung ist gut lesbar (wenngleich stilistisch bisweilen etwas
trocken) und informativ. Es bietet trotz mancher Lücken, die freilich dem
knappen vorgegebenen Raum geschuldet sind, einen sehr guten Einstieg in diese
Zeit der europäischen Geschichte.
Da heute Europa leider zu oft nur mit dem europäischen Markt verwechselt und
die EU bisweilen vor allem als Belastung geschildert wird, ist es sehr
erfreulich, dass diese Buchreihe erscheint. Sie verdeutlicht, dass Europa weit
mehr ist, nämlich ein Kulturraum und durchaus auch eine Idee. Es lohnt sich
darüber nachzudenken und trotz aller aktuellen Probleme vor allem den Gewinn zu
erkennen, den das heutige Europa im Vergleich zur teils sehr schwierigen und
blutigen Geschichte in der Vergangenheit bietet.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 01. Oktober 2013 2013-10-01 14:04:30