Hauptkommissar Claudius Zorn ist von den Anforderungen seines Berufs
überfordert; denn sein Kollege Schröder, der ihm sonst die lästige Arbeit vom
Hals hält, liegt verletzt im Krankenhaus. Der ungewöhnliche Fall eines Mannes,
der sich erschießt während er in Panik von einer Brücke in den Fluss springt,
würde Zorns Leistungsfähigkeit bereits bis an die Grenzen ausreizen. Der
Selbstmord auf der Brücke, eine inszenierte Massenkarambolage (deren Opfer
Kollege Schröder wurde) und der Anschlag auf den Ball der Polizeigewerkschaft
hängen offensichtlich mit einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung und
weiteren Vermisstenfällen zusammen. Ohne Schröder tappt Zorn weitgehend im
Dunkeln. Schröder, den sein Autor wieder mit einem schreiend geschmacklosen
Pullunder straft, kann Beruf und die Betreuung seiner dementen Eltern kaum noch
unter einen Hut bringen, und auch Staatswanwältin Frieda Borck fehlt aufgrund
privater Probleme der gewohnte Biss. Beteiligte des verworrenen Mammutfalls
werden in einer ehemaligen Sole-Badeanstalt gefangen gehalten, deren morbide
Atmosphäre neben düsteren Andeutungen des Autors der Handlung den Kick
Richtung Psychothriller gibt. Ludwig erspart seinen in der verfallenden
Unterwelt gefangenen Protagonisten dabei kaum eine erniedrigende Situation. Nach
besonders ausgedehnten Exkursen zu privaten Problemen der Ermittler findet der
komplizierte Fall ein ungewöhnliche Lösung.
Zorn überspannt mit seinem soziopathischen Verhalten in diesem Band den Bogen.
Er weiß nicht einmal wie sein Kollege mit Vornamen heisst, der ständig Zorns
eigene mangelhafte Arbeitsleistung deckt, um im Erfolgsfall stets bescheiden
Zorn den Ruhm zu überlassen. Zorns Verhalten gegenüber anderen schillert im
Grenzbereich zwischen grober Beleidigung und psychischer Störung. Offenbar
hält er seinen persönlichen Dämonen der Vergangenheit nur mühsam im Zaum und
hätte längst zwangsweise einem Psychiater vorgestellt werden müssen - wäre
nicht auch Staatsanwältin Borck gerade mit ihren privaten Problemen
überfordert.
Band 2
Zorn. Vom Lieben und
Sterben
Fazit
Stephan Ludwigs dritter Krimi um Schröder und Zorn erreicht seine düstere
Wirkung durch eine Nebenfigur mit besonderer Beziehung zum Licht und den
unheimlichen Schauplatz eines leer stehenden Solebads, dessen Kabinen
Assoziationen an ein unterirdisches Gefängnis wecken. Auch wenn sich private
Probleme in geballter Form gegen die Ermittler verschworen haben, deutet Zorns
sich wie ein roter Faden durch die Reihe ziehender Abstieg in die
Dienstunfähigkeit eine Fortsetzung an.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 21. August 2013 2013-08-21 10:57:40