Ein Blick auf die Homepage der Autorin verrät: Sie wollte schon immer
Schauspielerin, Schriftstellerin oder Lehrerin werden. Wirft man einen zweiten
Blick in ihren Lebenslauf, offenbart sich, dass die 1965 in Split/Kroatien
geborene Nataša Dragnić ihre Wünsche für die Zukunft vollumfänglich in
die Tat umgesetzt hat. Sie hat ein Diplom in Germanistik und Romanistik, spricht
fünf Sprachen, arbeitete als Reiseleiterin und absolvierte eine
Diplomatenausbildung. Darüber hinaus war sie aber auch als Lehrerin tätig
(etwa an Fachschule für Touristik in Zagreb). Seit 1994 lebt sie in Erlangen
und arbeitet als freiberufliche Sprach- und Literaturdozentin, Dolmetscherin und
Übersetzerin. Zudem schlüpfte sie in verschieden Theaterproduktionen unter
anderem in die Rollen der Klytämnestra, Nike oder Caesonia. Und als Autorin ist
sie nicht nur dank ihrer Kurzgeschichten, sondern spätestens seit ihrem
Debütroman Jeder Tag jede Stunde ein Begriff.
Wer dringend knisternde Spannung sucht, sollte die Finger ebenso wie diejenigen
von Immer wieder das Meer lassen, die stets Lesequickies bevorzugen. Die
Leichtigkeit, die das Covermotiv suggeriert, findet man im Buch nicht wieder.
Mit ihrem zweiten Roman präsentiert die Autorin kein Buch für nebenbei. Dazu
passiert in ihrem Roman zwar nichts absolut Spektakuläres; insgesamt jedoch zu
viel über zu viele Jahre und das Ganze in einigen Zeitsprüngen, die etwas
Konzentration erfordern.
Dragnić rollt dabei die Geschichte quasi vom Ende her auf und stellt ihren
LeserInnen eine Familie vor, in der sich drei sehr verschiedene Schwestern in
ein und denselben Mann verlieben. Alle drei fangen etwas mit ihm an, eine von
ihnen heiratet ihn. Der Roman ist gespickt mit Rückblenden auf das Leben der
drei Schwestern. Teils auf das aller, teils getrennt. Neben den
eifersuchtsbedingten Querelen bleiben zahlreiche familiäre Schicksalsschläge
nicht aus. Krankheit und Alter spielen eine Rolle und machen deutlich, dass es
um mehr als problematische partnerschaftliche Beziehungen geht. Die Familie
schweißt alle zusammen, egal was geschieht.
Das Buch hat eine sehr schwermütige Grundstimmung, geht es doch in weiten
Teilen nicht nur um die Sehnsucht und Suche nach der großen Liebe und darum,
dass bestehende Gefühle nicht gelebt werden dürfen oder sukzessive ersticken.
Dragnić lässt ihren Figuren nicht nur herbe Enttäuschungen erleben,
sondern auch einige Schicksalsschläge einstecken. Verluste sind omnipräsent.
Das fällt besonders auf, weil bestimmte Figuren aufgrund der Zeitsprünge und
Perspektivwechsel quasi zwei Mal gehen. Das kann bisweilen für Verwirrung
sorgen.
Liegt es daran, dass jedem für sich zu vieles widerfährt? Ich weiß es nicht
und kann den Finger nicht wirklich darauf legen. Doch durchweg alle Charaktere
wirkten in ihrer Darstellung nicht immer authentisch auf mich. Hinzu kommt, dass
besonders Allesandro bei mir aufgrund seines Verhaltens nicht mit Sympathie
punkten konnte. Sieht man von seiner Begeisterung für die Kunst und ihre
Geschichte ab, wirkt er eher leidenschaftslos und zu passiv. Was ich jedoch sehr
gelungen fand, war die innere Zerrissenheit der Schwestern. Diese wird durch den
Schreibstil der Autorin, der in weiten Teilen von kurzen Sätzen geprägt ist,
sehr deutlich. Doch obwohl die Autorin auf gelungene Art ein breites Spektrum an
Gefühlen transportiert, birgt der Roman einige Längen, die durch aus
Perspektivwechseln und Zeitsprüngen resultierenden Wiederholungen entstehen.
Diese Längen wiederum werden teilweise aufgefangen durch die Zeitformen, die
die Autorin für ihren Roman gewählt hat. Ein Teil wird in der Gegenwart von
der Schwester erzählt, die Allesandro gleich eingangs heiratet, die
Rückblenden in der Vergangenheit und aus verschiedenen Perspektiven.
Fazit
Obwohl einiges fast zu geballt wirkt, was den Charakteren in Dragnićs Roman
widerfährt, wirkt die Geschichte insgesamt nicht völlig aus der Luft
gegriffen. Ein Roman über Familie, Glück, Kompromisse und Liebe, aber auch
über Egoismus, Verzweiflung, Wut und Trauer. Leise, unaufgeregt, bewegend,
nachdenklich machend. Insgesamt möchte ich acht von zehn Punkten dafür
vergeben.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 10. Juli 2013 2013-07-10 17:39:19