Prinzessin Leila und ihre drei Freunde hatten sich angewöhnt, durch eine
geheime Tür ihre Welt zu verlassen und den alten Jakob zu besuchen. Doch Jakob
ist vor kurzer Zeit gestorben und in seinem Haus in der Welt wie wir sie kennen
treffen die vier Abenteuerer unerwartet auf Jakobs Enkel Janosch. Jakobs Mutter
hat das Haus von ihrem Vater geerbt und wird mit Janosch, aber ohne ihren Mann,
hier einziehen. Als der Übergang zwischen den Welten den Besuchern unerwartet
für die Rückkehr verschlossen bleibt, findet sich Janosch in der peinlichen
Situation, gleich vier fremde Jugendliche vor seiner Mutter verstecken zu
müssen. Während die Rückkehr in ihre Welt den vier Besuchern noch immer
verschlossen ist, findet Janosch heraus, dass sein Großvater Wächter zwischen
Leilas und seiner Welt war - und seine Mutter mehr über dessen Geheimnisse
weiß, als ihr Sohn ihr zugetraut hat.
Der erste Band einer geplanten Trilogie wirkt äußerlich sehr ansprechend. Doch
der Einstieg in Michelles Kadens phantastische Welt bereitete mir einige
Probleme. Phantastische Welten erzielen ihre Wirkung auf den Leser durch ihr
Anderssein. Wird aus der Perspektive eines Magiers erzählt, weicht die uns
vertraute Welt von dessen Vorstellung ab; ein Mensch dagegen erlebt die
phantastische Welt als ungewöhnlich. Um von der Geschichte gefesselt zu werden
fehlte mir anfangs eine Skizzierung der Welt Leilas, die erst später im Buch
Raum erhält. Von Leila konnte ich mir nur schwer vorstellen wie alt sie
ungefähr sein könnte, wie sie sich kleidet, noch welche Beziehung sie mit
Roger dem Vampir, Clara dem Werwolf und Vincent dem Zauberer verbindet. Grund
dafür war u. a. dass Michelle Kaden für Leilas namenlose Welt keine
charakteristische und stimmige Sprache entwickelt. Leila lebt in einer Kammer
auf einer Burg. Die Menschen tragen Gewänder, aber auch der Mensch Janosch in
unserer Welt bezeichnet ein Kleidungsstück als Gewand. Der Begriff Angestellte
für die Soldaten des Königs und sein Hauspersonal lässt daran zweifeln, ob
Leilas heimatliche Burg wirklich in einer anderen Welt zu finden ist. Meine
Neugier auf Leilas "erste Welt" konnte ich im Buch spät aber doch
noch stillen. Ein jugendlicher Leser wäre sehr viel früher aus dem Text
ausgestiegen aufgrund des wenig spannenden Einstiegs und der kaum
ausgearbeiteten antriebslos wirkenden Figuren, die Jugendlichen wenig
Identifikationsmöglichkeiten bieten.
"Die verborgenen Pforten" vereint eine Reihe von sprachlichen und
inhaltlichen Mängeln, die für nicht ausreichend lektorierte Erstlingswerke
typisch sind. Die Geschichte wird in einfacher Vergangenheit erzählt, die
Verbbildung zu Ereignissen, die vor dieser Zeitebene stattfanden, ist
ebensowenig korrekt wie bei Vermutungen, was möglicherweise in der Zukunft
passieren könnte. Der Lesefluss stockt bei Wortwiederholungen, besonders der
von Hilfsverben, und durch wenig aussagefähige Verben. Adjektive sollten nicht
wie Etiketten verteilt werden, sondern die Schilderung einer Szene soll bei mir
als Leser Verständnis bewirken, ohne dass mir die Absicht des Autors so
deutlich bewusst wird. Emotionen wie die Ängste, die ein Werwolf verursachen
könnte, haben mich durch Sagen statt Zeigen nicht erreicht. Einige
Ausdrucksfehler sind noch zu korrigieren (nicht Janoschs Mutter steht z. B. in
der Parklücke, sondern ihr Auto). Die Schreibweise für Jacob/Jakob auf dem
Buchcover und im Buch sollte vereintlicht werden, DB und Buchhandel haben zu
diesem Titel unterschiedliche Datensätze angelegt.
Ein Kinderbuchautor sollte mit seiner Sprache Vorbild und Anregung sein.
Fazit
Das phantastische Setting der Welt Leilas, das die uns gewohnte Welt als
ungewohnte Parallelwelt darstellt, wird im ersten Band leider kaum
ausgeschöpft. Wegen der wenig überzeugenden Figurenzeichnung und der
sprachlichen Mängel finde ich das Buch für jugendliche Leser nicht
empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 01. Juni 2013 2013-06-01 16:50:22