Obwohl er unabdingbar zum Leben dazugehört, befassen sich die Wenigsten von uns
ernsthaft mit dem Tod. Er wird tabuisiert und verdrängt, obwohl er uns ohne
Ausnahme bevorsteht. Vermutlich einer der Gründe, warum er die Hinterbliebenen
immer wieder besonders schmerzhaft trifft und so manchen aus der Bahn wirft.
Susanne Jung schreibt über den Tod und das Thema Abschied nehmen. Der
Schutzumschlag des Buches ist schlicht gehalten. Er zeigt ein weißes Kissen auf
weißem Grund, eine einzelne rote Rose. Friedlich und liebevoll wirkt dieses
bescheidene Motiv und steht damit eigentlich im krassen Kontrast zum Thema an
sich. Immerhin wird durch den Tod eine Person aus unserem Leben gerissen; für
so manchen bricht dadurch eine Welt zusammen. Andere sind erleichtert, weil
eventuell ein langer Leidensweg beendet wurde. Doch egal ob so oder so, ohne
einen adäquaten Abschied fällt die eigentliche Trauerarbeit schwer. Ohne
Akzeptanz ist sie unmöglich.
Ebenso schlicht wie das Umschlagmotiv ist der Schreibstil der Autorin. Das
allerdings nur im Sinne von sehr gut nachvollziehbar, denn tatsächlich
vermittelt Susanne Jung den Inhalt ihres Buches auf niveauvolle Art. Sie
gestaltet ihn sehr praxisbezogen. Nicht unbedingt philosophisch-anspruchsvoll,
dafür aber ebenso anrührend wie achtungsvoll, verständnisvoll wie kritisch.
Denn die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Nicht nur, weil sie selbst mehr als
einen schmerzhaften Verlust erlitt. Auch weil sie einen Beruf ausübt, der nicht
ganz gewöhnlich ist. Ursprünglich lernte sie, wie man Bilderrahmen vergoldet.
Über eine ehrenamtliche Sterbebegleitung kam sie im Laufe der Jahre jedoch in
ein Bestattungsinstitut. Was sie dort erlebte, war nicht das, was sie sich unter
einem würdigen Abschied vorstellte. Und so machte sie sich einige Jahre danach
als Bestatterin selbstständig.
Von ihren eigenen Erfahrungen mit den Themen Sterben und Abschied, über ihren
Umgang damit, erfahren LeserInnen eingangs des Buches. Offen erzählt Jung von
Erlebnissen und Verlusten, jahrelanger Verdrängung und Trauerbewältigung. Nach
ihren Ausführungen dazu, wie sie Bestatterin wurde, widmet sie sich dann
Todesfällen, die andere erlebt haben. Sie schreibt vom Abschied von einem Kind,
das nie leben durfte. Von einem Jugendlichen, der sich das Leben nahm. Von einem
Mann, der durch seinen letzten Willen seiner Witwe fast die Möglichkeit zum
Abschiednehmen nahm. Von einem Witwer, der innerlich mit seiner Frau starb. Von
einer Organspenderin. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Jungs
Erfahrungsschatz, der mittlerweile über 800 Bestattungen umfasst, die aber
natürlich nicht alle in dem Buch erwähnt werden. Was jedoch erwähnt wird,
sind bürokratische Hürden, die es nicht nur im Rahmen individuell gestalteter
Bestattungen zu nehmen gilt. Unaussprechliches, das ausgesprochen werden sollte.
Gefühle, die zugelassen werden sollten. Und Jungs Wünsche für Veränderungen
der hierzulande geläufigen Sterbe- und Bestattungskultur.
Einfühlsam geht sie auf den Unterschied zwischen Verstorbenen und Toten ein.
Das mag für den einen oder anderen seltsam klingen. Dass es ihn tatsächlich
gibt, weiß ich jedoch aus eigener Erfahrung und kann nur bejahen, was die
Autorin dazu schreibt. Ihre Überlegungen, warum der Tod in den letzten
Jahrzehnten dermaßen distanziert in Angriff genommen und zunehmend tabuisiert
wurde, sind nachvollziehbar logisch. Jung hebt hervor, wie wichtig es ist, die
Möglichkeit für einen bewussten Abschied anzubieten, unterstreicht aber auch
die Bedeutsamkeit, diese Möglichkeiten als Betroffener zu nutzen. Ihre
Anschauung des Lebens und (untrennbar damit verbunden) des Lebensendes
vermittelt sie, trotz der Omnipräsenz des Todes, ebenso sensibel wie sachlich
und durch alle kurzen Kapitel hindurch durchweg lebendig. Empathisch und
unaufgeregt offenbart sich so Stück für Stück eine versöhnliche Fürsprache
für ihn, mehr jedoch noch für das bewusste Leben.
Fazit
Besser leben mit dem Tod oder Wie ich lernte Abschied zu nehmen ist ein sehr
persönliches Buch, das ich gerne weiterempfehle und für das ich die volle
Punktzahl vergebe. Es wirkt tröstlich und informativ. Nicht nur für
diejenigen, die gerade selbst einen Todesfall beklagen, sondern auch für jene,
die sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen. Dass Susanne Jung
tatsächlich mehr als eine konventionelle Bestatterin ist, durfte ich beim
Abschied eines Freundes erleben. So sensibel, wie sie dabei die Hinterbliebenen
begleitete und tröstete, so vermittelt sie in ihrem Buch tatsächlich, dass
Abschied nehmen gelernt sein will und man besser lebt, wenn man den Tod nicht
verdrängt - einfach weil er zu unserem Leben gehört.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
[Profil]
veröffentlicht am 14. Mai 2013 2013-05-14 15:23:50