1984 in Austin, Minnesota, geboren wurde die Erfolgsautorin Amanda Hocking. Alle
Achtung kann man da nur sagen, respektive schreiben. Denn die Verfasserin von
Fantasyromanen gilt derzeit als erfolgreichste Selbstverlegerin der Welt. Ihre
E-Books wurden weit über 1 Million mal verkauft, was die ehemalige
Altenpflegerin zur Dollar-Millionärin machte. Ebenfalls zu diesem Reichtum
beigetragen hat der Verkauf der Filmrechte der Trilogie Die Tochter der Tryll.
Aus Hockings Feder stammt auch die Buchreihe Unter dem Vampirmond, die
dystopische Grafiknovelle The Hollows, der märchenhafte Roman Virtue und die
Watersong-Quadrologie. Während in den Staaten nach Wake, Lullaby und Tidal
bereits der vierte, abschließende Roman Elegy für August 2013 angekündigt
ist, erschien im März die deutsche Übersetzung des Auftaktromans der Reihe
unter dem Titel Sternenlied.
Das englische Cover wurde motivmäßig für den Schutzumschlag der deutschen
Ausgabe übernommen. Das im Wasser befindliche Mädchen stellt, laut
Autorenblog, die Hauptfigur Gemma dar. Was ich übrigens an diesem Umschlag
besonders schön finde, ist der irisierende bzw. holografische Streifeneffekt,
der an Lichtstrahlen unter Wasser erinnert. Außerdem ist besagter
Schutzumschlag relativ stabil gearbeitet und wer ihn entfernt und umdreht, hält
quasi ein Poster in der Hand.
Doch zurück zum Inhalt des Auftaktromans der Watersong-Quadrologie. Darin
werden (nicht zum ersten Mal) Sirenen thematisiert. Die Faszination, aber auch
die Gefahr, die von diesen mystischen Meerwesen ausgeht. Letzteres offenbart
sich im Grunde bereits im Prolog. Gleichzeitig wird dabei aber auch deutlich,
dass die Sirenen nicht unbedingt glücklich mit ihrem Schicksal sind.
Eine zwar nicht ganz unbekannte, aber nach wie vor spannende Grundidee, die
Hocking da modifiziert hat. Dabei setzt die Autorin zwar auf differente aber
nicht allzu komplexe Figuren. Sie bedient sich diverser Klischees und auch die
Handlung ist nicht sonderlich tiefgründig oder durch eine rasche Entwicklung
geprägt. Unterhaltsam ist ihr Roman aber allemal. Und trotz einer gewissen
Eindimensionalität gelingt es Hocking, eine dichte Hintergrundatmosphäre zu
schaffen.
Der Fokus in Sternenlied liegt auf Gemma und ihrer Schwester Harper. Nach dem
einleitenden Prolog, der auf ein blutiges Ereignis verweist, ohne zunächst die
Hintergründe zu offenbaren, lernt man die beiden näher kennen. Hocking lässt
ihre LeserInnen an deren Gefühls- und Gedankenwelt teilnehmen und bietet einen
Einblick in das ‚noch‘ normale Leben, das sie führen. Während Harper
ruhiger, besonnener und verantwortungsbewusster wirkt, offenbart sich Gemma
relativ aufgeweckt und sportlich ehrgeizig. Das Wasser ist eindeutig ihr
Element. Sie liebt das Meer und kann sich ein Leben ohne nicht vorstellen. Dass
ausgerechnet dort Gefahr lauert, ist deshalb natürlich umso fataler. Außerdem
ist sie zum ersten Mal verliebt, in Alex. Da Harper sich um sie und ihren Vater
kümmert, kann Gemma sich eigentlich ganz auf diese Dinge konzentrieren. Dann
jedoch tauchen drei Mädchen auf, die genauso geheimnisvoll wie faszinierend
wirken. Obwohl Harper sie vor Thea, Lexi und Penn warnt und Gemma auch spürt,
dass etwas mit ihnen nicht stimmt, fühlt sie sich unaufhaltsam in deren Bann
gezogen. Und bevor sie erkennen kann, was damit eigentlich auf sie zukommt, ist
es bereits zu spät.
Insgesamt kommt die Autorin mit relativ wenig Figuren aus. Neben Harper und
Gemma, Thea, Lexi und Penn gibt es Alex und Daniel (der ein Auge auf Harper
geworfen hat). Typische Jungs von neben an, nicht sehr tiefgründig aber ganz
nett. Die Liebesgeschichten, die zu einem an und für sich perfekten Sommer
gehören, entwickeln sich sehr dezent und drängen zu keiner Zeit in den
Vordergrund. Was in meinem Augen wiederum gut auf das anvisierte Zielpublikum
passt. Es gilt dabei das eine oder andere Hindernis zu umschiffen und die
Beteiligten gehen zaghaft und unsicher, aber glaubwürdig miteinander um.
Insgesamt fügt sich dieser Erzählstrang sehr harmonisch und gut in die etwas
spannendere Hintergrundgeschichte ein.
Obwohl diese sich zunächst nicht sehr temporeich entwickelt, fliegt man dank
Hockings Schreibstil durch die kurz gehaltenen Kapitel. Leicht lesbar entwickelt
sich sukzessive und gut nachvollziehbar die Bedrohungssituation. Und das, obwohl
die Geschichte insgesamt wenig überraschende Wendungen und einiges an
Vorhersehbarkeit bietet. Das wird allerdings etwas durch die nachvollziehbaren
Handlungen der Figuren ausgeglichen. Sobald die drei fremden Mädchen
auftauchen, zieht das Erzähltempo an. Dass man es hier nicht mit kleinen
Meerjungfrauen im niedlich-netten Barbiestyle zu tun hat, macht ja bereits die
Inhaltsangabe deutlich. Stattdessen lernt man Wesen kennen, die grausam sind und
auch vor Mord nicht zurückschrecken. Prompt hält Hocking dann auch nicht mit
blutigen und düsteren Passagen hinter den Berg, sodass ich persönlich (wie so
oft bei Jugendbüchern) ein Problem mit der Altersfreigabe (ab 13 Jahren) habe.
Wie so oft in den Einzelbänden einer Buchreihe werden nicht alle Fragen
beantwortet, die die Autorin in Sternenlied aufwirft. Doch da es eine
Fortsetzung gibt, bleibt die Hoffnung, dass darin schlüssige Antworten gefunden
werden.
Fazit
Ein etwas zögerlicher und durchwachsener Auftaktroman. Hocking nimmt mystische
Überlieferungen, würzt sie mit Fantasy und rundet das Ganze mit etwas
Realität ab. Die spielerische Leichtigkeit einer aufkeimenden Teenagerliebe
stellt sie der tödlichen Gefahr gegenüber. Die Erzählstränge sind dicht und
harmonisch miteinander verwoben. Dennoch punktet Sternenlied nicht zwingend mit
einem gleichmäßig hohen Spannungsbogen - trotz einiger härterer (und in
meinen Augen für 13jährige grenzwertiger) Szenen. Doch das ist bei vielen
Auftaktromanen so und deshalb nicht grundsätzlich schlecht zu bewerten.
Tatsächlich zieht die Geschichte trotz der erwähnten Schwachpunkte ihre
LeserInnen ganz unaufgeregt in ihren Bann. Sie hat Potenzial, und da sie
weitergeht, bin ich bereits auf den zweiten Teil gespannt.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 24. April 2013 2013-04-24 10:23:34