Vor einigen Monaten saß ich im Zug von Hamburg nach Köln und das Sprach- bzw.
Dialektgewirr in unserem Abteil nahm fast babylonische Ausmaße an. Mir
gegenüber saßen zwei junge Nigerianer, die englisch-deutsch radebrechten.
Neben ihnen saß eine junge Frau, die ihre rheinländische Mundart ganz
offensichtlich ebenso pflegt wie ich meine schwäbische und neben mir wiederum
bediente sich eine junge Holländerin ihrer Muttersprache. Der Zugführer sprach
in bestem Hannoveraner Schriftdeutsch, während seine eine Kollegin hessisch
babbelte und eine weitere im breitesten fränkischen Dialekt ihre Ansichten zu
unserem (Streit-)Gschbrääch beisteuerte.
Letzteres gestaltete sich leider nicht ganz so humorvoll wie in Bernd Regenauers
Fränkisch für Anfänger. Denn fatalerweise wies die Schaffnerin nicht nur eine
frappierende Ähnlichkeit mit dem früher berühmten HB-Männchen auf, sondern
hörte sich gar nicht so nett an, wie der Mitarbeiter einer fränkischen Firma,
mit dem ich vor etlichen Jahren regelmäßigen Kontakt pflegte. Letzteres lag
vermutlich nicht nur daran, dass es - wie bei allen Dialekten - regionale
Varianten gibt.
Doch zurück zu dem 128 Seiten starken Büchlein aus dem Hause Langenscheidt,
das gerade vor mir liegt. Der unterhaltsam und keineswegs ernst zu nehmende
Sprachführer wartet neben Übersetzungen und Erklärungen auch mit Anekdoten,
Witzen und Cartoons auf, um neben der Sprache auch fränkische Verhaltensmuster
an Regenauers LeserInnen zu bringen. Bevor man sich an einen Test wagen kann,
sollte man sich das 1 x 1 des Fränkischen zu Gemüte führen und das gerade
Erlernte in Kapiteln wie Speis und Trank, Liebesgeflüster, Donnerwetter oder
Geflügelte Worte vertiefen. Auch Fränkisch für Fortgeschrittene findet man im
Buch. Eingangs der Kapitel gibt es immer einen Crashkurs, bevor es dann an
Wörter und Sätze von A - Z, ihre Übersetzungen und Erklärungen geht und der
Autor Redewendungen offenbart, die zeigen, dass Gesagtes und Gemeintes nicht
zwingend übereinstimmen muss. Hier habe ich mir zugegebenermaßen bei dem 1956
in München geborenen und heute in Nürnberg lebenden Liedermacher und
Kabarettisten Bernd Regenauer, der u. a. Texte für Dieter Hildebrandts
Scheibenwischer und die Münchner Lach- und Schießgesellschaft verfasste, etwas
mehr erwartet. Wirklich enttäuscht wurde ich jedoch auch nicht.
Der Autor rät dazu, alles laut nachzusprechen, um den Weg zur fränkischen
Seele zu finden. Keine Ahnung, ob das klappen kann. Allerdings sorgte lautes
Nachsprechen für Lachtränen, als ich kürzlich mit meinen Brüdern Seite für
Seite durchnahm. Genau wie bei einem Schwäbisch-f‘r-Dammies-Kurs oder bei
Plattdütsch för Quieddjes kommen da nämlich die tollsten Worte heraus, weil
man ausgerechnet in dem Fall hochdeutsch zu lesen scheint, auch wenn man sonst
nicht hochdeutsch spricht. Obwohl ich je nach Ortschaft fränkisch an und für
sich sehr gut verstehen kann, begriff ich auf diese Art erst einmal gar nichts,
solange ich nicht den Begleittext dazu vor Augen hatte. Unabhängig vom Sinn
oder Unsinn des Satzes wäre ich beispielsweise trotz sechs von sieben
verstandenen Worten bei Iich mecherd aamol a aanzichs Mamalaadnaamerla homm nie
im Leben darauf gekommen, dass mein Bruder gerne einmal ein Marmeladenglas
hätte. Und wie etwa im Schwäbischen gibt es natürlich auch im Fränkischen
mehrere Bedeutungen für ein und dasselbe Wort. So kann Vodder sowohl für Vater
als auch für Vorder oder auch für fährt er stehen. Schlimm wird es, wenn das
Wort dann in allen drei Variationen in einem Satz auftaucht. Erschwerend kommt
die Vorliebe der Franken hinzu, verschiedene Wörter zusammen auszusprechen.
Buchstaben übermäßig zu dehnen, hart oder überraschend weich auszusprechen
erschwert mir persönlich das Nachahmen ebenfalls. Die Buchstaben p, t oder k
sucht man in diesem Dialekt vergebens und das rollende r, nun ja ...
Wie gesagt, wir lachten Tränen und gelangten schnell zu der Ansicht, dass wir
nicht das richtige Talent für das laute Lesen des fränkischen Dialekts
besitzen. Gleichzeitig war mir dennoch spätestens nach Seite 94 klar, dass die
vorher erwähnte Zugbegleiterin bees rumbelferd oder naibelferd hat, obwohl sie
zu dem Zeitpunkt gar nicht wusste, worum es genau ging und ihre Kommentare
einfach pauschal ins Abteil geworfen hat.
Wer übrigens Sächsisch, Bairisch (kein Tippfehler, das schreibt sich bei
Langenscheidt tatsächlich so), Kölsch oder Schwäbisch für Anfänger sucht
und diese sprachliche Erweiterung genauso wenig ernst zu nehmen gedenkt wie den
Sprachführer Fränkisch für Anfänger, wird auch diesbezüglich bei
Langenscheidt fündig.
Fazit
Sprache verbindet ja bekanntlich. Ob das mit dem Sprachführer so wirklich
gelingt, mag dahingestellt sein. Allerdings: Lachen verbindet auch irgendwie und
das kann man mit Fränkisch für Anfänger durchaus. Zum Verschenken an alle
Neigschmeggde in die mittelfränkische Metropolregion und ihre angrenzenden
Gebiete. Alle anderen Sub-Dialekte des Fränkischen in Regenauers Büchlein
unterzubringen, wäre unmöglich gewesen.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 29. März 2013 2013-03-29 18:30:25