Wieder einmal sind Sommerferien, und die Harry-Potter-Saga steuert ihrem
fünften und bisher längsten Kapitel entgegen - und zwar mit großen
Schritten.
Gleich zu Anfang legt Rowling voll los: Harry wird von Dementoren im Ligusterweg
attackiert, dann vom Zauberministerium angeklagt und schließlich um
Haaresbreite freigesprochen. Sofort wird er in ein geheimes Versteck
verfrachtet, in dem der neugegründete Orden der Phoenix gegen den
wiederauferstandenen Lord Vol- verzeihung, Du-Weißt-Schon-Wen kämpft. Nach
einer eher ruhigen Zeit, die Stimmung eher geladen, kehrt Harry nach Hogwarts
zurück, um festzustellen, dass Madame Umbridge, eine seiner
Hauptanklägerinnen, den Posten für die Verteidigung gegen die dunklen Künste
innehat und die Schule auch noch als Hauptinquisitorin total umgestaltet - und
das nicht zum Positiven.
Von da an überstürzen die Ereignisse sich dermaßen, dass der Leser nicht ganz
mitkommt - Rowling übrigens auch nicht. Mal schreibt sie kapitelweise über
Harrys DA-Orden, in dem die Schüler sich selbst die Fähigkeiten beibringen,
die bei Madame Umbridge zu kurz kommen, dann entsteht auf einmal der Eindruck,
DA hätten sich monatelang nicht getroffen. Rowling verliert den Überblick
über ihr eigenes Buch, bevor sie alle Handlungsstränge schließlich mit einem
wenig gekonnten Hieb abhackt und unelegant ins Finale im Zauberministerium
übergehen lässt, dass allerdings wiederum eher an Nightmare in Elms Street
erinnert.
Fazit
Mit sehr großen Erwartungen ging ich ans Buch - und wurde ehrlich gesagt
voll enttäuscht.
Die Verspieltheit und Souveränität, mit der Rowling die ersten Bücher
durchschrieb, geht total verloren, anscheinend unter dem Vorurteil des
Kinder-Buchs leidend, setzt sie auf Gewalt, Mord und blutig beschriebe
Metzelszenen als auf die Beschreibung neuer Details, wie sie mich persönlich in
den ersten vier Bänden besonders fasziniert haben.
Das St-Mungo-Hospital und das Zaubereiministerium sind zwar Lichtblicke; auch
die neuen Therestrals (wenigstens EINE neue Kreatur) sehr interessant - aber das
war's auch schon wieder.
Das deutsche Jugendamt warnte vor dem Buch: "Düster, brutal, blutig".
Ich glaubte nicht daran und wurde eines besseren belehrt. Rowling schreibt das
Buch, als würde Harry erwachsen und damit der kindlichen Sichtweise entwachsen,
mit der er die Welt vorher sah,, die Verspieltheit weicht dumpfem Realismus,
eine vernünftig-rationale Sichtweise zieht sich durch das Buch wie der
vergiftete Eckzahn eines Basilisken.
Doch für eine verzauberte Welt gibt es nichts Tödlicheres als
Rationalisierung.
Vorgeschlagen von Kristian Kühn
[Profil]
veröffentlicht am 04. Dezember 2003 2003-12-04 20:00:07