Abschied für Anfänger ist ein stiller Roman mit Potenzial zu Gewaltigem. Die
aus Minnesota stammende Schriftstellerin hatte 1989 für ihren Roman
Atemübungen bereits den Pulitzerpreis erhalten. Man kann also davon ausgehen,
dass sie mächtig etwas vom Schreiben versteht. Bereits der Titel dieses neuen
Buches deutet an, dass es in der Geschichte um Abschied geht. Und Abschied hat
immer etwas mit Trauer zu tun. Der Titel deutet noch etwas anderes an. Das
"für Anfänger" scheint einer Artikelreihe eines Ratgeberverlages zu
entstammen. Damit wurde der Nagel auf den Kopf getroffen. Im Buch werden viele
weitere solcher Buchtitel genannt, beispielsweise "Weinratgeber für
Anfänger", "Hundetraining für Anfänger" oder
"Schwangerschaft für Anfänger". Das kommt daher, weil der
Protagonist und seine Schwester den Druckkostenzuschussverlag ihres Vaters nach
dessen Tod weiterführen.
Aaron Woolcott, der Ich-Erzähler dieser Geschichte, ist der Lektor der
Anfänger-Reihe im Verlag. Aaron erzählt in amüsanter Weise den Lesern die
Geschichte seiner Ehe. Grund hierfür ist der Unfalltod seiner Frau Dorothy. Sie
wurde im eigenen Haus von einem umgestürzten Baum erschlagen. Aaron ist Mitte
30 und bereits Witwer. Nur schwer wird er damit fertig. Da nützen auch die
Hilfen und Ratschläge vieler Menschen um ihn herum nichts. Kaum einer scheint
bis zu ihm durchzudringen. Dies alles und wie er die robuste Ärztin Dorothy,
die ihre Tasche immer diebstahlsicher über Schulter und Brust hängen hatte,
kennen gelernt und geheiratet hat, erzählt Aaron. Und er erzählt, dass Dorothy
nach ihrem Tod zurückgekehrt ist. Keiner seiner Angehörigen, Nachbarn und
Kollegen hat sie gesehen, außer er selbst. Dabei ist er sich aber auch nicht
sicher, doch wie sonst hätte er sich mit Dorothy nach deren Tod unterhalten
sollen? Dem Protagonisten fällt der Abschied von seiner Frau sichtlich schwer.
Nun könnte man denken, es müsste sich bei diesem Thema um einen depressiven
Roman handeln. Dem ist allerdings ganz und gar nicht so. Aaron, der körperlich
leicht behindert ist und etwas stottert, scheint sich über alle
Hilfsbereitschaft der Menschen um ihn herum zu amüsieren. Es hängt ihm zum
Halse raus, wie sie ihn, den frischen Witwer, bemuttern. Er will davon nichts
wissen, sie aber auch nicht vor den Kopf stoßen. Während sie ihm also gut
gemeint eine gekochte Mahlzeit nach der anderen bringen, kippt er sie quasi
hinter ihren Rücken gleich in den Müll.
Anne Tyler, und mit ihr die Übersetzerin Christine Frick-Gerke haben eine
äußerst anregende Sprache für den Ich-Erzähler Aaron Woolcott gefunden.
Leiser Humor schwingt ständig mit, aber je weiter man sich dem Schluss nähert,
umso großartiger wird dieser Humor, der so manches Mal zum lauten Lachen
führt. Beinahe zum Running Gag mutiert das Wort "auftauchen", denn
sobald Dorothy die Bühne der Handlung betritt, taucht sie in der Handlung auf.
Doch nicht genug, dass die Geschichte von einem stillen See zu einem tosenden
Meer wird, präsentiert sie ein überraschendes Ende, welches den Leser
zufrieden zurücksinken lässt, wenn er das Buch zu klappt.
Zum Abschluss einen winzigen Ausschnitt, in welchem Aaron erkennt, dass Dorothy
nach ihrem Tod vielleicht noch viel öfter nach ihm gesucht hat.
"Ich wartete. Und wartete.
Tagelang blieb ich im Ausnahmezustand und wartete darauf, dass sie wieder
kam.
Da Sie in unserer Straße aufgetaucht war, glaubte ich, sie würde dort am
ehesten wieder auftauchen. Tatsächlich hätte ich mich dafür ohrfeigen
können, nicht schon früher dorthin gegangen zu sein. War sie in all den
Monaten auf der Rumor Road herumgeirrt und hatte sich gefragt, wo ich sei? Es
war kaum zu ertragen, wenn ich in all die verpassten Gelegenheiten dachte."
Fazit
Ein sehr einfühlsames, keineswegs trauriges Buch von der Verabschiedung eines
nahen Menschen. Die Traurigkeit kann man eigentlich schon vergessen, wenn man an
der Ratgebertitel dieses Buches denkt.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 07. März 2013 2013-03-07 08:09:28