Ich denke, dass die Bücher von George R. R. Martin über sein DAS LIED VON
FEUER UND EIS sehr überschätzt werden und ein Hinweis oder gar direkter
Vergleich wie es hier oder auch bei Robert Corvus FEIND aus dem Piper Verlag
gemacht wird ziemlich in die Hose geht, da beide Bücher nichts mit ihrem
erfolgreichen Fantasy-Kollegen zu tun haben.
DAS KALTE SCHWERT setzt mit seiner Erzählung und den Helden dort an, wo sein
Vorgänger aufhörte. Die gigantische Schlacht, in der die Dwenda
zurückgedrängt, aber nicht besiegt wurden, ist vorbei. Man leckt die Wunden
und versucht nicht mehr an die Dwenda zu denken. Bei den Dwenda handelt es sich
um eine uralte Rasse, die von ihrer Ethik her sehr grausam und zudem magiebegabt
ist. Und dennoch ist die Auseinandersetzung mit ihnen nicht vorbei. Sie drängen
weiter darauf, in diese Welt zurückzukehren, aus der sie vor vielen
Jahrhunderten vertrieben wurden. Im Vordergrund stehen die drei Hauptcharaktere
Ringil Eskiath, Archeth, Tochter einer menschlichen Frau und eines Mannes aus
der außerirdischen Rasse der Kiriath und Egar, genannt Dragonbane, ein
Steppenreiter.
Zu Beginn und auch über weite Teile der Erzählung sind die drei Helden
getrennt voneinander unterwegs. Der Sohn eines Adligen, Ringil Eskiath ist ein
dekorierter Kriegsheld, ein Veteran, gleichzeitig aber ein Krieger ohne
Kompromisse. Nur weil er auf der Seite des Guten steht, heisst es nicht, dass er
nicht genausogut die Seiten wechseln könnte, ohne seinen Standpunkt ändern zu
müssen. Ausgestossen von der eigenen Gesellschaft, weil er homosexuell ist und
mit einer magischen Klinge versehen, steht er oft allein seinen Mann. Er jagt
immer noch einer Sklavenkarawane hinterher, weil er Rache nehmen will an der
Versklavung seiner Cousine. Sein erbarmungsloser Ein-Mann-Krieg gegen den
Sklavenhandel zeigt erstaunliche Erfolge, führt aber zu neuen Gegnern, die
nämlich daran viel Geld verdienen. Dementsprechend sind viele Leute an ihm,
oder besser dem Kopfgeld, interessiert. Daraufhin zieht er sich erst einmal nach
Yhelteth zurück. Aber statt Ruhe zu finden, wird er mit Egar in einen uralten
Machtkampf hineingezogen, denn etwas Uraltes will wieder zurück.
Archet in diesem Trio ist etwas ganz besonderes, da in einem Drogenentzug. Sie
ist vor allem erst einmal Frau und zudem ein Mischling. Ihre Frau Mama ist ein
Mensch, ihr Herr Papa entstammt der Rasse der Kiriath. Die Kiriath sind die
Erzfeinde der Dwenda. Die Kiriath verliessen die Welt der Menschen, ob
freiwillig oder gezwungen, ist nicht bekannt. Die Kiriath sind es aber auch, die
den Dwenda und ihrer Magie reine Wissenschaft und Technologie entgegensetzen.
Ihre Hinterlassenschaft sind einige Steuermänner, Metallmenschen, die als
Ratgeber bei den Herrschenden ein und aus gehen. Archet mit ihren etwa 200
Jahren, erbte die Langlebigkeit ihrer ausserirdischen Vorfahren und ist
dementsprechend erfahren und weise. So ist es natürlich kein Wunder, dass sie
als Ratgeberin dem Empire von Yhelteth dient. Während Ringil Männer mag, mag
sie lieber Frauen im Bett. Ihr Handlungsstrang setzt sich mit der Ankunft eines
neuen Steuermannes oder Helmsman auseinander. Dieser taucht unverhofft auf, um
Archeth von einer neuen schrecklichen Bedrohung zu berichten. Dabei handelt es
sich um eine Stadt der Kiriath, die sich mitten im Ozean befinden würde. Als
Nachfahrin der Kiriath hätte sie zwar davon wissen müssen, wird aber von der
Aussage überrascht, dass die Stadt zwischen den Welten pendelt und nun wieder
erscheinen soll.
Der Dritte im Bunde ist Egar, der Majak, ein Nomade, der aus den wilden
Steppengebieten stammt. Gemeinsam mit Ringil konnte er einen Drachen besiegen.
Die Handlung von Egar, der sich im Heim von Archeath langweilt, geht es mehr um
das Krimielement, denn er erhält Kunde von seltsamen Begebenheiten, die sich in
einem alten, verlassenen Tempel zutragen sollen. Natürlich ist die Abwechslung
und Tätigkeit nach den Machenschaften Ausschau zu halten allemal besser, als
gelangweilt der Dekadenz nachzugehen.
Fazit
Was mir an diesem Buch gefällt, und dafür werden mich wahrscheinlich einige
Rezensionskollegen steinigen, ist die Tatsache, keinen Roman, sondern eher
Novellen mit Schnittpunkten untereinander vor sich zu haben. Damit hebt sich DAS
KALTE SCHWERT positiv von seinem vorhergehenden Roman ab und zeigt, dass Richard
Morgan in der Lage ist, auch kürzer und anders zu schreiben. Bei seinen Figuren
bleibt er bei dem, wie er sie bereits im ersten Band beschrieb. Eine Entwicklung
findet nicht statt und manch einer wird sich dann darauf berufen, dass hier
wieder Klischees bedient werden. Ich sehe das in diesem Fall nicht so, denn
gerade mit seinem schwulen Helden hebt er sich von vielen anderen
Fantasy-Erzählungen ab. Das gleiche gilt auch für die Thematisierungen von
Sklaverei, Religion und Nicht-Religion, Sex, Gewalt und Blutvergiessen.
Beschönigt und verharmlost wird bei Richard Morgan nichts. Seine Beschreibungen
haben eine Kraft und Intensität, sind grausam und mitleidlos, wie sie selten in
der Fantasy-Literatur vorkommt. Das Gleiche gilt für den schwarzen Humor und
seine manchmal proletenhafte Sprache. Doch egal wie man dieses Buch sieht, es
bleibt Stoff zu Streitgesprächen darüber ob es nun gut oder schlecht ist.
Richard Morgan nimmt kein Blatt vor den Mund, ist aber auch kein Moralapostel,
der sich über andere erhebt. Er schreibt Fantasy so, wie die Wirklichkeit heute
ist.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 04. März 2013 2013-03-04 16:09:40