Schon etwas länger auf dem Markt ist die deutsche Übersetzung Weil du mich
liebst des Debütromans von Eliza Graham. Nachdem sie für die englische
Originalausgabe fünf Jahre lang einen Verleger suchte, schaffte sie es in die
Bestsellerlisten. Die englische Autorin und Journalistin korrigiert und
redigiert die Werke anderer Autoren, wenn sie nicht selbst schreibt. Bislang
veröffentlichte sie vier Romane (Playing with the moon, Restitution, Jubilee,
The history room).
Das Cover von Weil du mich liebst (die Rückenansicht einer Frau auf einem Steg
ins Wasser, blauer Himmel, ein paar leichte Wölkchen) und der Titel deuten auf
eine unterhaltsam-leichte Liebegeschichte hin, doch bereits ein flüchtiger
Blick auf die Inhaltsangabe lässt darauf schließen, dass Grahams LeserInnen
etwas mehr erwartet.
Aus verschiedenen Erzählperspektiven und Zeitebenen offenbart sich Stück für
Stück eine Geschichte, die man nicht einfach so nebenbei lesen sollte. Dabei
geht es nicht vorwiegend um Minna, die nach einem tragischen Schicksalsschlag
allen Lebensmut verloren hat, nicht mehr essen kann und kurz vor dem Aus ihrer
Ehe steht. Einen viel größeren Teil des Romans nimmt die Handlung um Felix
ein, die eigentlich Felicity heißt, und etliche Jahrzehnte älter als Minna
ist.
Die beiden Frauen begegnen sich 2006, nachdem Minna und ihr Mann ein Skelett am
Strand gefunden und diesen Fund gemeldet haben. Schnell ist klar, dass es sich
um die Überreste eines Soldaten der amerikanischen Streitkräfte handelt, der
im Zuge des Zweiten Weltkrieges nach England gelangt und vor langer Zeit
umgekommen ist. Felix erfährt durch einen Zeitungsartikel davon und macht sich
auf eine Reise in ihre Vergangenheit, da sie den Soldaten und die Umstände
seines Todes kannte.
Wie bereits erwähnt, spielt sich das Romangeschehen auf verschiedenen
Zeitebenen ab. Mal sind Grahams LeserInnen in der Gegenwart bei Minna, mal bei
Felix, mal bei beiden, dann geht es mit Felix in die 1940er-Jahre zurück.
Minnas Geschichte wird von ihr selbst größtenteils in der Gegenwartsform
erzählt. Die Handlungsfäden um Felix wiederum größtenteils in der
Vergangenheitsform in dritter Person. Ihre Geschichte erstreckt sich über viele
Jahrzehnte, während man Minna nur kurze Zeit begleiten kann.
Wer sich auf einen Handlungsfaden oder eine Zeitebene konzentrieren möchte,
sollte ebenso die Finger von Weil du mich liebst lassen wie diejenigen, die Wert
auf eine rasche Handlungsentwicklung legen. Detaillierte Beschreibungen sind
zwar die Grundlage für die wunderbar dichte und authentisch wirkende
Atmosphäre, sorgen jedoch gleichzeitig dafür, dass die Geschichte insgesamt in
keinem allzu hohen Tempo erzählt wird. Längen bleiben im Gegensatz zu diversen
Vorhersehbarkeiten außen vor. Letztere fallen insgesamt betrachtet allerdings
kaum ins Gewicht. Was jedoch etwas aus dem Rahmen fällt, ist Minnas Entwicklung
am Ende des Buches. Sie wirkt zwar nicht pauschal unlogisch oder unglaubwürdig,
allerdings etwas zu übereilt erzählt.
Durch den einfachen Schreibstil kann man leicht ins Geschehen eintauchen.
Jeweils anfangs der Kapitel wird durch Nennung der Namen klargestellt, um wen es
darin geht. Bei den Kapiteln über Felix helfen die Jahresangaben zusätzlich
beim Zurechtfinden. Das tragische Geschehen dreht sich um Schuld und
Selbstvorwürfe, um Schmerz und Trauer, Tod und Verlust, Angst und Schatten,
über die es zu springen galt und gilt. Beide Frauen haben genug erlebt, um in
die Knie zu gehen. Beide haben sich innerlich abgekapselt. Und dennoch, als die
beiden Frauen sich ihre Erlebnisse von der Seele reden, erfahren beide - durch
eine Willkür des Schicksals zusammengewürfelt - nicht nur, wie stark sie sind.
Sie erkennen auch, dass es immer Hoffnung gibt. Sie wissen, wie schlimm es ist,
am Boden zu sein, aber auch, dass genau dieser Boden einem die Kraft geben kann,
wieder aufzustehen. Und dass sich dieses Aufstehen lohnt.
Das Geheimnis um den Tod des Soldaten entzweite einst Felix und ihre große
Liebe. Der Fund seines Skeletts bringt dann letztlich nicht nur Minna ihrem
Ehemann Tom wieder näher. Er sorgt auch dafür, dass Felix aufarbeiten kann,
was sie jahrzehntelang beschäftigt und ihr Leben beeinflusst hat. Und er bringt
jemanden Frieden, den der tote Soldat nicht mehr kennenlernen durfte.
Fazit
Glück und Unglück liegen in diesem Buch nah beieinander. Eine ganze Bandbreite
an Gefühlen erwarten LeserInnen, die sich darauf einlassen. Das dramatische
Geschehen wird auf unaufgeregte, emphatische Weise ohne falsche Melodramatik
erzählt. Kein Buch für nebenbei. Doch wer sich darauf einlässt, bekommt eine
berührende Geschichte über zwei starke Frauen, über die Kraft der Liebe und
der Hoffnung, der ich acht von zehn Punkten geben möchte.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 14. Februar 2013 2013-02-14 14:45:59