Antonio Tabucchi hat eine sehr beeindruckende Geschichte eines
"unpolitischen Menschen" geschrieben, der aufgrund der Ereignisse in
seiner Heimat - das Werk spielt zur Zeit der Salazar-Diktatur 1938 in Portugal -
"aufwacht" und politisches Bewußtsein erlebt. Pereira ist
Kulturredakteur einer Lissabonner Zeitung. Er lebt einsam als Witwer und hat
keine Freunde. Darauf legt er jedoch auch keinen Wert. Er widmet sich
ausschließlich der Aufgabe, Novellen französischer Schriftsteller des 19.
Jahrhunderts für seine Zeitung auszuwählen und zu übersetzen. Die politischen
Ereignisse interessieren ihn nicht - weniger aus Angst, sondern aus
Bequemlichkeit. Aus diesem lethargischen Zustand wird er allmählich durch die
Begegnung mit Monteiro Rossi herausgerissen. Dieser ist ein Idealist, der sich
zusammen mit seiner Freundin im Widerstand gegen die Diktatur engagiert. Rossi
erinnert Pereira an seine eigene Jugend und seine - längst begrabenen - Ideale.
Allmählich - schrittweise - begreift er, dass er Stellung beziehen muß - für
oder gegen die Diktatur, für oder gegen ein menschenwürdiges Leben - und
Pereira entscheidet sich...
Diese Geschichte besticht durch wunderbare stilistische Qualität, die
Genauigkeit der Charakterzeichnung (die man vor sich zu sehen meint) und die
Glaubwürdigkeit der Entwicklung der Hauptperson. Zunächst in seiner Trägheit
sehr an Gontscharows "Oblomow" erinnernd, wird die Veränderung der
Einstellung des Protagonisten nicht durch eine plötzliche Wandlung, sondern
durch allmählich wachsende Einsicht, also eine sich behutsam ergebende
Entwicklung, die langsam, ja fast in einer Art tranceähnlichen Zustand
geschieht, glaubhaft dargestellt.
Fazit
Mich hat dieses Werk des - völlig zu recht ausgezeichneten - Romans sehr
fasziniert und bis heute nicht losgelassen. Für mich bis heute eines der besten
Bücher der Weltliteratur und unbedingt zu empfehlen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 08. November 2003 2003-11-08 19:13:12