Als ich kürzlich in einer Lesegruppe den Namen Sophie Kinsella erwähnte (das
im November 2012 bei Goldmann erschienene Taschenbuch Kein Kuss unter dieser
Nummer war gerade an diesem Tag in mein Eigentum übergegangen), wurde gleich
mehrfach gefragt, ob das ein neues Buch aus der Schnäppchenjäger-Reihe um
Rebecca Bloomwood wäre. Meine Augenbrauen gingen nach oben, ich musste passen.
Besagte Buchreihe sagte mir gar nichts, auch die Kinoverfilmung (Shopaholic -
Die Schnäppchenjägerin) habe ich nicht gesehen. Überhaupt war mir auch kein
anderes Buch der Autorin ein Begriff - dabei gibt es einige. Sei es unter dem
Pseudonym Madeleine Wickham (sieben Bücher bei Goldmann von 1997 - 2003) oder
Sophie Kinsella (fünf Schnäppchenjäger-Bücher und weitere sechs bzw. sieben
(bei einem als Co-Autorin) Einzelromane, ebenfalls bei Goldmann von 2003 -
2012).
Hinter einer Finanzjournalistin hätte ich irgendwie grundsätzlich Autorin von
Büchern wie dem mir vor mir liegenden Kein Kuss unter dieser Nummer vermutet.
Man sollte sich eben nie von Voruteilen (Finanzjournalismus = trockene Materie)
beherrschen lassen. Denn die 1969 in London geborene und heute noch mit ihrer
Familie dort lebende Autorin Sophie Kinsella schreibt auf leichte, unterhaltsame
Weise und laut Wikipedia allgemein über Heldinnen, die in abstruse und lustige
Situationen geraten, aus der sie nur ihre Kreativität befreit.
Und so präsentiert sich tatsächlich auch Poppy in Kein Kuss unter dieser
Nummer. Die junge Frau ist mit ihrem Traummann zusammen und hat das
Familienerbstück von Verlobungsring an ihrem Finger. Besagter Traummann sieht
nicht nur gut aus, sondern stammt auch noch aus einer ebenso supergescheiten wie
reichen Familie. Gut, Letzteres ist ein Problem, denn Poppy selbst besitzt zwar
durchaus emotionale Intelligenz, ihr erlernter Wissensschatz scheint jedoch
kleiner als ihr Minderwertigkeitskomplex. Überhaupt denkt sie, dass ihre
Schwiegereltern in spe sich für ihren Sohn eine andere Frau als ausgerechnet
sie wünschen. Dazu kommt, dass Poppy auf Unglück und Pannen offenbar genauso
anziehend wirkt wie ein Magnet auf Eisenspäne. Kein Fettnäpfchen ist vor ihr
sicher.
Gleich eingangs kommt es prompt, wie es kommen muss. Der Verlust des
Verlobungsringes ist erst der Anfang des Chaos. Ihr lebensnotwendiges Handy wird
gestohlen. Einer glücklichen Fügung verdankt sie den Fund eines weggeworfenen
Handys. Doch der Fund birgt einige Tücken und Fallstricke in sich, weil es ein
Firmenhandy ist. Der dazugehörige Geschäftsmann Sam Roxton lässt sich darauf
ein, Poppy das Handy vorübergehend zu überlassen, weil sie die dazugehörige
Nummer schon allen gegeben hat, die ihren Verlobungsring vielleicht finden
könnten. Poppy mischt sich in ihrer unbekümmerten Art in alles ein, was sie so
auf dem Handy findet. Das hat Folgen für die beiden.
Die Autorin lässt ihre Hauptfigur selbst die Geschichte erzählen. Poppy
präsentiert sich dabei liebenswert chaotisch, absolut harmoniebedürftig, teils
unverfroren, teils tollpatschig, trägt ihr Herz auf der Zunge und gerät in
einige schräg-überspitzt dargestellte Situationen. Sam kommt anfangs nicht so
gut weg, wirkt zwar durchaus hilfsbereit, noch eher jedoch kalt und distanziert.
Sein Frauenbild ist überaus klischeebehaftet. Seine guten Seiten offenbaren
sich jedoch im Verlauf der Geschichte und Poppy muss ihre anfängliche Meinung
über ihn revidieren. Die über ihren Traummann auch, denn sie stellt zu ihrem
Entsetzen kurz vor der lang ersehnten Trauung fest, dass Traummänner auch in
Albträumen mitspielen können. Außerdem trachtet tatsächlich jemand danach,
besagte Heirat zu unterlaufen. Und auch dass die Geschäftswelt ein
Haifischbecken sein kann, kommt ans Licht.
Gerade scheint es sehr in Mode zu sein, Mails und Kurznachrichten als festen
Bestandteil in Romanen zu verwenden. Auch in Kinsellas Roman sind sie fleißig
in die Handlung eingewoben, kommunizieren Poppy und Sam anfangs doch
hauptsächlich auf diesem Weg miteinander und Poppy scheint sowieso
grundsätzlich geradezu mit ihrem Handy verwachsen. Außerdem bestätigt Poppys
pathologisch anmutendes Harmoniebedürfnis genau auf diesem Weg mehr als einmal
den Kurt Tucholsky zugeschrieben Ausspruch Das Gegenteil von Gut ist nicht
Böse, sondern gut gemeint.
Trotz des temporeichen, humorvoll-frischen Schreibstils der Autorin findet sich
die eine oder andere kleine Länge. Insgesamt gesehen tut dies der
unterhaltsam-leichten Geschichte jedoch keinen großen Abbruch. Dass mehr als
eins der schrägen Erlebnisse Poppys etwas weit hergeholt wirkt, übrigens auch
nicht.
Die Charaktere wirken samt ihrer Motivation trotz der einen oder anderen
überzogen Darstellung überraschend echt und (mal mehr, mal weniger)
liebenswert. Nicht nur die Fußnoten (in denen Poppys Gedanken einmal mehr zum
Ausdruck gebracht werden und die sich überraschend oft mit dem deckten, was mir
beim Lesen durch den Kopf ging), sondern auch Szenen wie gleich eingangs, als
sie (um das Handy behalten zu dürfen) als singendes Telegramm herumhüpft,
haben mich zum Lachen gebracht. Dass man nicht von vorne bis hinten durchlacht
oder -schmunzelt, liegt an den ernsteren Handlungsfäden, denn nicht nur für
Poppy läuft keineswegs alles glatt und gut.
Fazit
Eine heitere, kurzweilig-romantische Unterhaltung zum Entspannen für
zwischendurch. Mir hat der Roman Lust auf weitere Romane der Autorin gemacht.
Insgesamt möchte ich für Kein Kuss unter dieser Nummer deshalb acht von zehn
Punkten vergeben.
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 05. Februar 2013 2013-02-05 16:29:57