Einen Abschiedsgruss der eher ungewöhnlichen Art entdeckt der Richter John
Willingham im Anschluss an seine festliche Verabschiedung in der ehrwürdigen
Bibliothek des Royal Court Jersey. Als sich die Kofferraumklappe des bestellten
Taxis öffnet und er den ihm zur Pensionierung überreichten Wein dort
deponieren will, fällt sein Blick auf zwei schmutzige Vorratsdosen mit irgend
welchen Eßwaren und die zusammengekrümmte Leiche einer jungen, dunkelhaarigen
Frau, die mit weit aufgerissenen Augen, in Jeans und blutverschmiertem, grünen
T-Shirt auf einem öligen Wagenheber liegt. Ein zweiter Blick ist nicht
erforderlich, um zu erkennen, dass hier ein brutales Verbrechen stattgefunden
hat. Als wenige Zeit später der Vikar Godfrey Ballard auf skurrile Weise den
Fundort einer weiteren Toten freilegt, ist der Moment gekommen, wo die
Aufklärung schnellstens in berufene Hände gehört.
Richter Willinghams Nachfolger Edward Waterhouse betraut seine Schwester
Detective Inspector Jane Waterhouse mit einer SoKo für diese Fälle, während
Harold Conway und Constable Officer Sandra Querée als Mitglieder der Honorary
Police von Jersey ebenfalls ihres Amtes walten. Emily Bloom, die Besitzerin des
örtlichen Teeladens allerdings, die ihr Leben auf der Insel verbrachte und die
Bewohner und ihre Gepflogenheiten kennt, wird eine wichtige Ermittlerfunktion
übernehmen, weil sie eine Gabe besitzt, die Segen und Fluch bedeuten kann: Sie
hat das absolute Gedächtnis. Und hier auf Jersey können Erinnerungen
Lebengefahr bedeuten......
Claus Beling hat hier einen unterhaltsamen Roman geschrieben, der in flüssiger,
gut gewählter Sprache ein flottes Lesevergnügen verspricht und hält. Die
zahlreichen Protagonisten sind gut gezeichnet, ihre Rollen verständlich
aufeinander abgestimmt, wenn auch die Handlungsstränge zu zahlreich und nicht
durchweg glaubwürdig sind. Die Geschichte ist sicherlich recht interessant -
das Kernthema soll ja wohl der verbotene Handel mit "asiatischen"
Produkten sein - was man gedanklich auch sehr gut auf anderes "Dealen"
applizieren kann. Parallelen zu solchem Gebaren und Auswirkungen auf die
Charaktere der Menschen findet man aktuell in der gesamten Welt. Aber hier liegt
eben die Besonderheit des Romans, der auf einer Insel spielt, auf Jersey. Eine
Insel, die immer ihr Eigenleben führt, einerseits offen - an allen Seiten nur
von Wasser begrenzt - andererseits ein kleiner Kosmos für sich, irgendwie
autark, Menschen, die sich kennen, sich beobachten, alles voneinander wissen -
sogar bis tief in die Vergangenheit hinein.
Dieser außergewöhnliche Status kommt nicht recht herüber, dieses besondere
Flair zu nutzen, ist dem Autor leider nicht ganz geglückt. Er hat zuviel an
Personen und Handlungssträngen hineingepackt, sodaß ein roter Faden kaum
erkennbar bleibt und alles durcheinander wirbelt. Emilys spektakuläre Gabe
bleibt nur ein "flash-light" von vielen und rechtfertigt den Titel
nicht.
Fazit
"Was du nicht weißt" ist als Kriminalroman deklariert worden. Meiner
Ansicht nach ist die bunte Vielfalt der Geschichte zwar - wie ich anfänglich
schon schrieb - durchaus ein netter Lesespass, aber die echte kriminalistische
Spannung hängt doch ein bisschen im Kielwasser hinterher.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 18. Dezember 2012 2012-12-18 16:57:32