Das hier zu besprechende Werk ist der erste Band einer in Kooperation der
Verlage C.H. Beck und Harvard University Press publizierten Weltgeschichte. Es
ist ein ambitioniertes Unterfangen, nicht nur aufgrund der Komplexität des
Themas, sondern auch aufgrund eines veränderten Leseverhaltens im digitalen
Zeitalter. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass hier Wissen nicht verknappt,
sondern in anspruchsvoller Weise und dennoch insgesamt gut lesbar präsentiert
wird.
Fast zeitgleich erscheint die "Neue Fischer Weltgeschichte", doch
beide Verlagsprojekte haben absolut ihre Berechtigung. Während die Neue Fischer
Weltgeschichte eher ein "Update" (in weniger Bänden) für die immer
noch sehr lesenswerte alte Fischer Weltgeschichte darstellt und dort vor allem
Epochen und geographische Räume getrennt behandelt werden, ist die Beck/HUP
"Geschichte der Welt" strukturell anders angelegt. Chronologische und
geographische Aspekte spielen auch hier eine Rolle, doch werden sie stärker
verzahnt dargestellt. Die Darstellung ist in erster Linie an großen
Themenkomplexen orientiert, in denen die Entwicklung global erörtert wird. Auf
diese Weise soll auch die Wechselwirkung der unterschiedlichen Räume
geschildert werden, wobei die neuesten Forschungsergebnisse verarbeitet wurden.
Somit entsteht ein komplexeres, aber auch differenziertes Gesamtbild der
"Geschichte der Welt", das freilich bisweilen auch Mut zur Lücke
beweisen muss. Aufgrund des Umfangs der Darstellung mit fast 1.000 Seiten, gilt
dies auch für diese Besprechung, in der nur Grundzüge angesprochen werden
können.
Der erste erschienene Band der "Geschichte der Welt" (jährlich soll
jeweils ein weiterer der insgesamt sechs Bände erscheinen) ist von Emily S.
Rosenberg herausgegeben, während Iriye und Osterhammel als Hauptherausgeber
fungieren. Der Band beinhaltet neben der guten Einleitung fünf große Kapitel,
verfasst von verschiedenen Autoren. In "Leviathan 2.0. Die Erfindung
moderner Staatlichkeit" wird Staatsordnung und Gesellschaft im 19. und
frühen 20. Jahrhundert thematisiert. Die staatliche Entwicklung (unter anderem
auch in China oder im Osmanischen Reich) wird knapp skizziert, ebenso
verschiedene "nationale Einigungskriege". Der Übergang zu einer
modernen Staatlichkeit war demnach mit vielen Brüchen verbunden und sie bürgte
keineswegs für stabile Verhältnisse, wie die Entwicklung im frühen 20.
Jahrhundert zeigte. Das Kapitel "Imperien und Globalität" befasst
sich mit dem Aufbau und der Entwicklung der "Imperien", vor allem der
Kolonialreiche und deren Konflikte. Auch hier wird aufgrund der Breite der
Darstellung deutlich, wie komplex dieser Prozess verlief und wie unterschiedlich
und problematisch dies im Einzelfall war. "Migrationen und
Zugehörigkeiten" betrachtet global Ursachen und Entwicklungen der
verschiedenen Migrationen in diesem Zeitraum und die daraus erwachsenen Probleme
und Chancen. Obwohl Wirtschaft auch in den anderen Kapiteln eine Rolle spielte,
wird dieser Aspekt besonders im Kapitel "Warenketten in einer globalen
Wirtschaft" zusammenfassend analysiert. Handel und Finanzwesen wurden
zunehmend vernetzt und die Märkte beeinflussten sich mehr und mehr - eine
"vorglobalisierte Welt", wenn man so will. Im letzten Kapitel
"Transnationale Strömungen in einer Welt, die zusammenrückt" wird
der Punkt einer immer stärker vernetzten Welt noch einmal aufgegriffen und
anhand soziokultureller Strömungen in diesem Zeitraum betrachtet.
Anmerkungen, Literaturverzeichnis und Register schließen sich an.
Fazit
Man darf die beteiligten Verlage zu dem ambitionierten Projekt
beglückwünschen. Bereits der erste erschienene Band (Band 5 von insgesamt 6
Bänden) setzt einen hohen Maßstab und man darf hoffen, dass dieser auch in den
folgenden Bänden eingehalten wird. Diese "Geschichte der Welt" ist
keine traditionelle "Weltgeschichte", sondern der Versuch, die
unterschiedlichen globalen Räume in ihrer Komplexität und Wechselbeziehung
(soweit vorhanden) zu erfassen. Entstanden ist eine materialreiche, bei allem
Anspruch aber lesbare Darstellung, der viele Leser zu wünschen sind. Es ist nur
schade, dass es nun noch einige Zeit dauert, bis das Werk abgeschlossen ist.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 05. November 2012 2012-11-05 17:09:52