Das geschieht oft: ein Romandebüt wird umjubelt und beklatscht, große, allzu
große Vergleiche zwischen dem Debütanten und Autoren einer Klasse um I. B.
Singer, W. Allen, A. Kaurismäki, G. G. Marquez, J. Franzen, J. Eugenides werden
gezogen. Selten besitzt der Erstling die Klasse dieser Klasse von
Schriftstellern. Debütantenhype hin und her, Jonathan Safran Foer, Jahrgang
1977, hat sich mit seinem bis zur Besinnungslosigkeit überreichen "Alles
ist erleuchtet" dort oben, zwischen Singer und Eugenides festgefettet. Sein
Roman gliedert sich in drei Teile, wovon zwei Teile Alex gehören. Alex ist der
in ukrainischem Englisch sprechende Reisebegleiter des jungen Amerikaners
Jonathan Safran Foer, der im dritten Teil die 150jährige Chronik des Reise- und
Erinnerungsortes Trachimbrod vorlegt. Der Autor versteht, von wunderbar
missglücktem Englisch Alex zu dokumentarischem Ernst Foers zu wechseln, ohne
dass sich des einen Bemühungen mit des anderen Lasten vermischen; wie von
selbst steigt der Leser von einer Sprachwelt in die nächste, ohne Foer verwirrt
aus den Händen zu legen. Kurz: Foer reißt hin, mit phantastischer,
verführerischer, unerhörter Gewalt, man wünscht sich, schneller zu lesen, und
man wünscht, dass er nie aufhöre, dieser grelle, heftige, schräge, Funken
schlagende Kosmos. Foer ist dieser Roman nicht zugeflogen, er hat viel und lange
und vor allem sehr, sehr gut daran gearbeitet; doch hat er sich seine
Leichtigkeit bewahrt, die Hintergründigkeit der Handlung gipfelt nicht in
philosophischen Verstiegenheiten.
Fazit
Und um was dreht sich das ganze? Um Familie, Tradition und Erinnerung, Jüdische
Geschichte, Herkunft, Holocaust, Überleben, Lieben und Staunen, Einsamkeit,
Lachen, Trauern, Sprache. Die Wahl Dirk van Gunsterens zum Übersetzer ist
exzellent, zusätzlich bietet der Kiwi-Verlag eine clevere Umschlaggestaltung.
Und hoffnungslos gespannt darf man auf den nächsten Roman Foers 2004 sein.
Vorgeschlagen von Paul Niemeyer
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veröffentlicht am 26. Oktober 2003 2003-10-26 19:45:10