Stephan Bierling hat eine hervorragende Einführung in die Geschichte der
amerikanischen Außenpolitik seit 1917 auf 270 Seiten vorgelegt. Dabei geht er
in einem Abschnitt auch auf die Geschichte der amerikanischen Außenpolitik seit
ihrer Gründung im Jahre 1789 ein und macht seine Darstellung plausibel.
Ähnlich wie Christian Hacke in seiner - wesentlich umfangreicheren -
Darstellung über die amerikanische Außenpolitik von Kennedy bis Bush "
Zur Weltmacht verdammt"
(aktualisierte Ausgabe 2003) geht Bierling auf die Institutionen (Präsident,
Kongress, gesellschaftliche Akteure) ein und beleuchtet kurz auch die
Voraussetzungen der amerikanischen Außenpolitik (Raum, Wirtschaftskraft,
Geschichte), bevor er eine knappe Darstellung der Außenpolitik von Wilson bis
Bush junior gibt. Insbesondere die Außenpolitik unter Bush junior seit den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 ab s. 239, die Entwicklung der
Bush-Doktrin wird präzise erläutert und dadurch verständlich gemacht. Das
Buch endet mit dem Ende des militärischen Feldzuges gegen den Irak mit einer
gemischten Bilanz. Trotz gravierender völkerrechtlicher Einwände und Bedenken
hätten die USA und Großbritannien die Militäraktion durchgezogen und die
Terrorherrschaft Saddam Huseins innerhalb von nur drei Wochen beendet.
"Dabei kamen auf beiden Seiten zwar weit weniger Soldaten und Zivilisten
ums Leben als im Golfkrieg 1991 und als von vielen Beobachtern vorhergesagt. Der
schwierigste Teil des Unterfangens, die politische Stabilisierung und der
wirtschaftliche Wiederaufbau des Irak sowie eine Befriedung des
israelisch-palästinensischen Konfliktes steht den Vereinigten Staaten
allerdings noch bevor. Es wird sich zeigen, ob die Regierung Bush dazu in der
Lage ist, über den Einsatz militärischer Gewalt hinaus politische Konzuepte zu
entwickeln und erfogreich umzusetzen" (S. 252). In einem - kurzen Epilog
bilanziert der Autor, der amerikanische Aufstieg zur Weltmaht sei ni!
cht so sehr einer bewussten Strategie entsprungen, die eigene Herrschaft zu
erweitern, sondern sei mehr die Folge von Aktionen gewesen, die Washington
entweder aufgezwungen wurden oder die es zur Verteidigung anderer unternommen
habe. Einmal herausgefordert, neigten die Vereinigten Staaten, die weltpolitisch
aufgrund eines stabilen innenpolitischen Zweiparteiensystems handlungsfähig
gewesen seien, zwar zu Simplifizierungen und zu Überreaktionen. Die
"checks and balances" im demokratischen Prozess, der Wunsch der
Bevölkerung, nach großen internationalen Anstrengungen das amerikanische
Engagement zu reduzieren sowie das weltanschauliche Leitbild von Demokratie,
Menschenrechten und Marktwirtschaft hätten dafür gesorgt, dass sich
Fehlentwicklungen in der amerikanischen (Außen-)politik in Grenzen gehalten
hätten. "Dass die Bipolarität des Kalten Krieges ohne große
geopolitische Verwerfungen in eine amerikanische Unipolarität überführt
werden konnte und sich die potentiellen Rivalen der USA nicht gegen die
Supermacht verbündeten, lag bislang in erster Linie an der fehlenden Bedrohung,
die von der amerikanischen Vormachtstellung ausging. Auch künftig wird die
Außenpolitik der Vereinigten Staaten aber nur dann breite internationale
Unterstützung erfahren, wenn nicht die "harte Macht" der
militärischen Gewalt im Vordergrund steht, sondern es Washington wie so oft in
seiner Vergangenheit gelingt, seiner weltpolitischen Führungsrolle moralische
Autorität und völkerrechtliche Legitimität zu verleihen."
Dies ist richtig. Allerdings kontrastiert dieses Fazit mit der - ebenfalls
korrekten - Feststellung, das Bush junior einen der dramatischsten
außenpolitischen Kurswechsel der amerikanischen Geschichte inszeniere (S. 239).
Dies zeigt sehr deutlich die neue "Bush-Doktrin", die es erlaubt,
"Schurkenstaaten", die Massenvernichtungswaffen besitzen oder erwerben
wollen und damit die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedrohen, mit
"präemptiven Handlungen" entgegenzutreten, d.h. unschädlich zu
machen. Leider erläutert Bierling hier nicht den Unterschied zwischen
Prävention und Präemtion (vgl. hierzu: Karl-Heinz Kamp: Von der Prävention
zur Präemtion? Die neue amerikansche Sicherheitsstrategie in: Internationale
Politik, Heft 12/2002). Die amerikanische Sicherheitsdoktrin spricht nämlich
von Präemtion und setzt damit einen unmittelbar bevorstehenden gegnerischen
Angriff voraus. "Als präventiv gilt eine Kriegshandlung dagegen, wenn sie
lediglich auf der Annahme beruht, dass in der nächsten Zeit mit einer
militärischen Offensive des Gegners zu rechnen ist."). Die sich daraus
ergebende spannende Frage, inwieweit Bush bei dem Irak-Krieg gegen seine eigene
Doktrin verstossen hat, erörtert Bierling nicht. Recht hat Bierling dagegen,
dass die Praxis der Bush-Doktrin durch eine expansive und aktivistische
Sichtweise der Vereinigten Staaten gekennzeichnet ist. Auch die Darstellung der
Irak-Krise, die sich zu einem "diplomatischen Albtraum für die USA"
entwickelte (S. 250) ist korrekt. So beschreibt Bierling detailliert das
Scheitern der Diplomatie vor dem Waffengang und die Entscheidung Bushs am 18.
März 2002, die aussichtslosen Bemühungen, eine weitere Resolution des
UN-Sicherheitsrates zu erhalten, die einen Angriff auf den Irak legitimiert
hätten, zu beenden. "Die USA berifen sich dabei auf die Verletzung der
Waffenstillstandsvereinbarung aus dem Jahr 1991, die in Resolution 1441 ein
weiteres Mal festgestellt worden war. Ohne explizite Billigung des obersten
UN-Gremiums hielten aber die meisten anderen Sicherheitsratsmitglieder und die
große Mehrheit der Völkerrechtler einen Krieg zur Entwaffnung des Irak für
unzulässig. Das Ziel des Regmiewechswels widerspricht ohnehin den Statuten der
Vereinten Nationen. Das Fehlen eines UN-Mandats und einer breiten
internationalen Koalition reduzierte außerdem die Chancen, die gewaltsame
Intervention in der arabischen Welt als legitim erscheinen zu lassen."
Dies ist richtig, hätte aber durchaus deutlicher ausgesprochen werden können.
Insofern ist die im Epilog angemahnte Besinnung auf moralische Autorität und
völkerrechtliche Legitimität, die notwendig ist, um die amerikanische
Vormachtsstellung nicht als Bedrohung anzusehen (bis 1990 wurde die USA als
"gutmütiger Hegemon" betrachtet), notwendiger denn je. Nach Bierlings
Werk kann man die Politik der Weltmacht USA eindeutig besser verstehen und
einordnen. Wer darüber hinaus noch weitere Informationen zur Geschichte der
jüngeren amerikanischen Außenpolitik sucht, sei auf das oben erwähnte Werk
von
Christian Hacke
verwiesen.