Blutige Rache
Eine intensive Atmosphäre der Angst, die legt Marc Raabe vor allem im Prolog
bereits vor. Bildkräftig und genua im richtigen Tempo lässt er den Leser den
11jährigen Gabriel in seinem Luke Skywalker Schlafanzug die dunkle Kellertreppe
hinunter schleichen hin in die "geheimen" Räume des Fotolabors seines
Vaters. Während oben in der Küche der unberechenbare Vater in einen immer
heftigeren Streit mit der Mutter ausbricht und im Kinderzimmer sein kleiner
Bruder David eingeschlossen alleine verharrt.
Nur angedeutet wird, was Gabriel im Keller vorfindet, nicht aber den Ausgang
dieser Szene. Vater und Mutter erschossen, das Haus abgebrannt, Gabriel, der
seinen Bruder rettet, aber einen persönlichkeitsspaltenden Schub erleidet, in
dem sich jener "Luke Skywalker" ein stückweit in seinem Inneren
verselbstständig und nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie Gabriel zum
Einzelgänger werden lässt. Die genauen Ereignisse jener Nacht im Elternhaus
sind durch eine traumatische Amnesie wie gelöscht.
29 Jahre später ist es Zeit für Rache. Und einige finden wieder zusammen.
Gabriels schwangere Lebensgefährtin wird entführt von einem Mann, der darauf
beharrt, das Gabriel schon weiß, wer er ist und was er ihm angetan hat. Ebenso
nach 29 Jahren trifft Gabriel wieder auf seinen Bruder, der im gleichen Metier
wie Gabriels Freundin Liz arbeitet und bald der einzige Mensch ist, dem Gabriel
noch ein stückweit vertrauen kann. Sein ehemaliger Vormund, väterlicher Mentor
und Chef verfolgt ganz eigene Wege und stellt sich eher gegen Gabriel, die
Polizei verhaftet ihn aufgrund eines Mordverdachtes und Freunde in dem Sinne hat
Gabriel nicht aufzuweisen.
Schritt für Schritt wird er in die Enge getrieben, immer unter dem Druck, sich
erinnern zu müssen, irgendwie darauf zu kommen, woher er jenen grausamen
Entführer und dessen Vorliebe für das aufschlitzen von Frauen her kennt. Die
Zeit drängt, weitere Tote säumen seinen Weg, immer dichter gerät er in das
Geflecht polizeilicher Ermittlungen und sich ins Nichts auflösender Spuren.
Nach starkem Anfang führt Marc Raabe seine Geschichte durchaus stringent und in
gleichbleibend hohem Tempo fort. Ein stückweit hindert hier und da die zu
einfache Bildsprache daran, als Leser noch tiefer in das Geschehen mit
einbezogen zu werden, auch die ein oder andere Erläuterung zum Hintergrund der
Figuren im Rahmen von Rückblicken hält hier und da mehr auf, als dass sie die
Geschichte befördert. Sehr gut aber transportiert Raabe die Atmosphäre seiner
Geschichte, die ständige Bedrohung und legt ebenso realistisch und überzeugend
das innere seiner durchaus mehrdimensional angelegten Figuren vor Augen.
Nachdem nach einigen Seiten die grobe Richtung der Bedrohung und der
Hintergründe der Geschichte klar werden, bietet Raabe anregende und spannende
Thriller Unterhaltung. Zwar mit nur einigen überraschenden Wendungen, aber
einer durchgängig gestalteten, spannenden und teils blutigen Atmosphäre.
Fazit
Ein solider Thriller, getragen von überzeugenden Figuren (zumindest, was die
Hauptpersonen angeht) und einem in die Vergangenheit reichenden, blutigen
Geheimnis, dessen Auflösung der Leser durchaus mit entgegen fiebert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 30. Mai 2012 2012-05-30 15:14:59