Warnung vor Facebook und Co.
Die ausgebildete Psychologin und Soziologin Sherry Turkle hat die Wechselwirkung
von Mensch und digitaler Technik zu einem der Schwerpunkte ihrer Arbeit gemacht.
In einer Zeit, in der die öffentliche Diskussion um Nutzen und Gefahren gerade
der sozialen Netzwerken durchaus keine "Eintagsfliegen" der
Überlegungen darstellen, in der sich Personalverantwortliche gerne einmal bei
Facebook informieren über Bewerber, in der "Cyber-Mobbing" als ganz
neue Gefahrenquelle auftauchen. Einer Zeit aber auch, in der
"Transparenz" als Wert auch politisch an Bedeutung zunimmt, in der
ganze Revolutionen durch die Kommunikation über das Web an Fahrt aufnahmen und
sich "vernetzten. In der es Menschen sich aber auch scheinbar einfach
machen, dem "Alleinsein" ohne echte und fühlbare Gemeinschaft zu
begegnen.
Turkles Haltung den Grundlagen dieser Entwicklungen gegenüber, der "ganz
normalen" Nutzung der social media, ist allerdings von Beginn der Lektüre
an kein Geheimnis. "Wie wir in der digitalen Welt seelisch
verkümmern", lautet der Untertitel. Und das Plato-Zitat, welches dem Buch
vorangestellt wird, spricht eine ebenso beredte Sprache. "Freilich scheint
alles zu bezaubern, was täuscht".
Umfassende, fundiert, mit einer Vielzahl an Beispielen angereichert und
durchaus sachlich im Ton weist Turkle auf gut 500 Seiten tatsächlich
nachvollziehbar, zumindest aber ernst zu nehmen, nach, dass die
"Täuschung" von sozialen Kontakten und echter Nähe den Nutzer des
Net mehr und mehr, so gut wie unmerklich, "seelisch entleert". Je
stärker sich ein Mensch "vernetzt", je mehr er glaubt dass ein
"soziales Leben" sich um ihn herum aufbaut, desto einsamer wird er
"in Wirklichkeit", mit destruktiven Folgen für das seelische
Wohlbefinden.
Als "roten Faden" nutzt Turkle in ihrem Buch zwei Beobachtungen. Das
eine ist die inzwischen "allzeit" Verfügbarkeit des Netzzuganges für
eine "endloses Streifen durch das Internet", das andere ist jene
Entwicklung der Robotik, die aus "Robotern Freunde" machten, wie z.B.
der Einzug der digitalen Elektronik in die Kinderzimmer der Welt deutlich
aufweist.
Turkle mahnt dabei die Gefahren dieser Entwicklungen an und vollzieht dies nicht
aus hohler Hand (wie allein schon das Literaturverzeichnis des Buches zeigt),
sondern geht wissenschaftlich durchaus fundiert vor. Im Kern konstatiert sie:
"Verunsichert in unseren Beziehungen und voller Angst vor zu großer Nähe,
tauchen wir heute in digitale Welten ein, um Beziehungen zu führen und
gleichzeitig vor Ihnen sicher zu sein". Eine Interpretation der Grundmotive
des modernen Lebens, die durchaus eines Nachdenkens wert ist, auch in Richtung
dessen, wieweit eigentlich noch "Primärerfahrungen" das menschliche
Leben nachhaltig prägen können, wenn die digitale Welt mehr und mehr wie ein
Filter die möglichen Risiken, aber auch die direkten positiven Folgen solcher
"echter" Erfahrungen "abdämpfen.
Interessant wäre es, in der Reaktion auf ihr Buch und ihre Erkenntnisse, nicht
umgehend eine intellektuelle Diskussion über Für und Wider ihrer Thesen
anzugehen, sondern das Buch zunächst zur eigenen Reflektion zu nutzen. Wie ist
das mit dem Gefühl der Leere, was durchaus hier und da nach
"Streifzügen" im Netz übrig bleibt? Wie gestaltet sich ein
"digitales" Leben, bei dem der "Reset-Schalter"
vermeintliche Sicherheit gibt und die Risiken echter Nähe an den Rand schiebt?
Anonymität, erfundene Lebensläufe, vieles scheint im Netz große Freiheit zu
geben, ohne aber, wie Turkle aufweist, den Menschen tatsächlich "zu
erreichen". Und eben auch sich der Frage auszusetzen, ob ein
"Chatten" rund um die Uhr tatsächlich ein Mittel gegen das Alleinsein
ist oder dieses dennoch offenkundig im Raume steht und sich eher noch
verstärkt.
Fazit
Menschen leben (auch) von Intimität. Eine Intimität, die naturgemäß durch
"zwischengeschaltete Technik" auf Distanz geht. Mit Folgen. Die man in
diesem Buch fundiert und detailliert nachlesen kann. Wie immer man nachher auch
zu den Erkenntnissen der Autorin Position beziehen möchte. Es sind keine
"Luftnummern", welche die Autorin hier beschreibt, sondern der
Reflektion eingängige und zugängliche Erfahrungswerte.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 03. April 2012 2012-04-03 14:09:50