Mir wurde dieses Buch von Nele Neuhaus als ihr bestes Werk empfohlen und ich
mochte es, weil es meiner Meinung nach sehr spannend geschrieben ist und es mir
beim Lesen genau darauf ankam. Dennoch hat das Buch in Bezug auf die Zeichnung
der Charaktere (zu klischeehaft schwarz-weiß gezeichnet) und vor allem in
Sachen Handlungslogik vor allem im zweiten Teil auch gravierende Schwächen.
Worum geht es: die aus Deutschland stammende Investmentbankerin Alex Sontheimer
findet heraus, dass die Bank, bei der sie angestellt ist, in kriminelle
Machenschaften und Insiderhandel verwickelt ist. Der Chef der Bank, Levy, hilft
dem "Paten" von New York, Sergio Vitali, sein Geld steuerfrei in
geheimen Konten auf den Cayman-Inseln anzulegen. Zusammen mit einem Mitarbeiter
kommt Alex hinter dieses Geheimnis. Doch gleichzeitig erliegt sie dem Charme des
weltläufigen Mafia-Chefs, denn sie ist ehrgeizig und ihr Traum ist es, zu den
Reichen und Mächtigen im Lande zu gehören. Gleichzeitig empfindet sie jedoch
auch Hochachtung und Sympathie für den Bürgermeister von New York, der sich
dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat und sich zur Aufgabe gestellt
hat, den "Paten" New Yorks endlich wegen dessen zahlreichen
Verbrechen, die sich aber bisher nicht beweisen lassen, vor Gericht zu bringen
und seiner Strafe zuzuführen. Alex gerät deshalb in einen Zwiespalt, der umso
größer wird, je mehr sie h die Skrupellosigkeit und Kaltblütigkeit des
Gangsterbosses, der sie mit seiner jovial-leutseeligen Art zunächst fasziniert
hat, erkennt. Gleichzeitig spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu, als auf
die Familie des Bürgermeisters ein Attentat verübt wird und Alex aufgrund
eines belauschten Gespräches zwischen Vitali und seinen Helfern zu einer
wichtigen Zeugin gegen den Mafia-"Boss" New Yorks wird. Dieser
versucht sie daher, mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen...
Die Bewertung dieses Krimis hängt meines Erachtens von der Erwartungshaltung
des Lesers ab. Wer gerne spannende Thriller liest, der wird mit diesem Buch
sicherlich auf seine Kosten kommen. In Puncto "Suspense" ist das Buch
meines Erachtens gelungen, man hört nicht auf zu lesen, bis man das Ende
erreicht hat.
Leider sind die Charaktere - und zwar ausnahmslos - sehr klischéehaft angelegt,
es gibt nur die "Guten" und die "abgrundtief Bösen". Diese
schwarz-weiß-Zeichnung ist sehr penetrant, interessante "graue
Charaktere" sucht man in diesem Buch vergebens.
Zweitens ist die Handlung - so spannend sie ist - besonders in der zweiten
Hälfte nicht immer glaubwürdig. Einerseits werden missliebige
"Zeugen" trotz guter Bewachung ohne Probleme von den Mafiosi
umgebracht, andererseits gelingt der Protagonistin Alex immer wieder, Sergio
Vitalis "Schergen" zu entkommen. Klar, dies ist notwendig, weil die
Heldin "gut", "sympathisch" ist und als Zeugin im Prozess
gegen Vitali unbedingt benötigt wird. Die Protagonistin darf - dies wird schon
am Anfang klar - auf keinen Fall sterben.
Andererseits ist genau dieser Verlauf im zweiten Teil der Handlung zu
konstruiert. So befremdet etwa die Naivität von Alex. Am Anfang als
"eiskalte" und erfolgreiche Investmentbankerin beschrieben, ist ihre
Naivität gegenüber den kriminellen Machenschaften und Geschäften ihres neuen
Arbeitgebers für mich nicht nachvollziehbar. Auch, dass Sergio Vitali sich sehr
lange Zeit von Alex "einwickeln" lässt und lange nicht durchschaut,
hat mich nicht überzeugen können.
Zu sehr wirkt es - vor allem im zweiten Teil so, als beuge sich insbesondere die
Logik der Handlung dem - gewünschten - Ende. Es gibt noch mehr Beispiele einer
sehr konstruierten Handlung, die erkennbar darauf ausgerichtet ist, ein
"Happy end" zu erzeugen. So bleibt es insbesondere vollkommen
unglaubwürdig, dass der Mafia-Boss New Yorks so viele Spitzel in den Behörden
New Yorks - insbesondere Polizei und FBI - platziert hat und dennoch von der
sich über ihn zusammenziehenden "Schlinge" am Ende vollkommen
überrascht wird. Es "kann" nicht sein, was nicht sein
"darf" - dieses Prinzip dominiert die Handlung und dies macht sich
insbesondere im zweiten Teil des stellenweise zu lang gewordenen Werkes
bemerkbar.
Trotzdem ist das Buch spannend und die Betroffenheit des Lesers dürfte in der
Mitte des Buches am größten sein, als bei einem Bombenattentat auf den
Bürgermeister dessen Familienmitglieder getötet werden. Es ist die Stärke der
Autorin, Empathie und Sympathie für die handelnden Protagonisten, insbesondere
für den New Yorker Bürgermeister und Alex Sontheim aufzubauen. Dies wiederum
ist eine der Stärken dieses Thrillers.
Fazit
Fazit: Wer einen spannenden Thriller lesen will, sich an Klischees und teilweise
arg konstruierter Handlung nicht stört, dem sei das Buch empfohlen.
Wer auf solche Aspekte allerdings großen Wert legt, der dürfte von Nele
Neuhaus Roman eher enttäuscht sein. Die "Prioritätensetzung" des
Lesers ist meines Erachtens entscheidend, ob er das Buch mag oder nicht. Da es
mir in erster Linie auf spannende Unterhaltung ankam und die Autorin genau dies
beherrscht, hat mir das Buch gefallen. Wer allerdings auf eine logische,
widerspruchsfreie und ausgefeilte Handlung sowie glaubwürdige und nicht
eindimensionale Charaktere setzt oder gar Freude an "grauen"
Anti-Helen hat, der wird das Buch allerdings nicht mögen und wohl enttäuscht
beseitelegen.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 10. März 2012 2012-03-10 15:40:31