Was haben Friedrich der Große und George Washington miteinander zu tun? Diese
Frage kann sich der Leser zu recht stellen. Wäre es nicht angebrachter, eine
Doppelbiographie über Friedrich den Großen und seiner Gegenspielerin, der
Kaiserin Maria Theresia zu schreiben? Dass Friedrich der Große und George
Washington viele Gemeinsamkeiten hatten, zeigt Overhoff in dieser faszinierenden
Doppelbiographie auf. Doch hauptsächlich verkörperten sie - wie Overhoff klug
darstellt - zwei unterschiedliche Wege der Aufklärung, die der Philosoph John
Locke beschrieben hatte: würde die politische Entwicklung in Richtung auf
"aufgeklärte Monarchien" gehen, die durch Friedrich, den "ersten
Diener des Staates" verkörpert wurde, oder würde es auch in größeren
Gemeinwesen zu demokratischen Republiken kommen? Bislang gab es das
republikanische Experiment nur in kleinen Staaten, etwa den Niederlanden.
Overhoff zeigt eindrucksvoll, wie die Idee der Aufklärung, des
"Lichtes", zur Leitidee des beginnenden 18. Jahrhunderts avancierte
und dass letztlich der demokratischen Republik George Washingtons die Zukunft
gehörte. Nicht umsonst nannte John Quincy Adams, einer der Nachfolger
Washingtons im Amt des US-Präsidenten, seinen Sohn George - obwohl er sowohl
Friedrich den Großen wie auch Washington verehrte. Mit der Namensgebung des
Sohnes im Jahre 1801 zeigte John Quincy Adams, wem nach seiner Meinung die
Zukunft gehörte. Besonders gelungen finde ich die erste Hälfte des Buches, die
den Weg der Idee der Aufklärung, die beiden von ihr beeinflussten
gegensätzlichen Staatssysteme, Pennsylvania und Preußen, die beide im Jahre
1701 entstanden sind, nachzeichnen. Die Biographie der beiden Protagonisten
dieser gegensätzlichen Wege, wird besonders im zweiten Teil - manchmal etwas zu
kurz - abgehandelt.
Insgesamt dennoch ein faszinierendes Buch, da mir seit Paul Sethes:
"Morgenröte der Gegenwart" aus dem Jahr 1963 - welches auch im
vorzüglich kommentierten Literaturverzeichnis erwähnt wird - kein Buch bekannt
ist, welches die Wirkung der Aufklärung auf die politischen Systeme des 18.
Jahrhunderts und die gegensätzlichen Staatssysteme, die sich auf das neue
Weltbild der Aufklärung berufen, so detailliert untersucht. Einziger kleiner
"Wehmutstropfen", dass einige biographische Einzelheiten im zweiten
Teil zu kurz und skizzenartig geschildert werden. 100 Seiten mehr hätten dem
Buch meines Wissens gutgetan.
Fazit
Trotzdem eine unglaubliche Forschungsleistung, die insgesamt die volle Punktzahl
verdient.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 05. März 2012 2012-03-05 20:36:56