Zur Rezeptionsgeschichte Wagners
Der Untertitel des Buches gibt deutlich die Richtung dessen vor, was Bermbach im
Buch darlegt: Rezeption und Verfälschungen. In gleiche Richtung gestaltet
bietet sich auch das Titelbild dem Leser dar, der als antiker Gott fast
anmutende Richard Wagner in Stein gemeißelt, eine Darstelljung, die ebenfalls
natürlich einer ganz bestimmten, konkret nachweisbaren Sicht auf Wagner
geschuldet ist. Einer Sicht, die nicht immer mit dem "wahren Wagner"
in Einklang zu bringen ist, zumindest nicht in den vielfachen Differenzierungen
auch in der Person des Komponisten.
In der fast unüberschaubaren Literatur zu Wagner (zu der sich jedes Jahr aufs
Neue Band um Band hinzufügt) ist dieser Ansatz zumindest ein stückweit
ungewöhnlich und macht neugierig auf Bermbachs Schlussfolgerungen, wieweit in
der Rezeption von Person und Werk Wagner durchaus auch bewusste Verfälschungen
sich ihren Weg gebahnt haben könnten.
Schon beim ersten Anlesen im Buch wird zum einen deutlich, wie akribisch
Bermabch gearbeitet hat. Vielfache Quellen der Rezeption finden sich ausgewertet
im Buch wieder (u.a. alle sechzig Jahrgänge der "Bayreuther
Blätter") und zum zweiten wird ebenso deutlich, dass im Blick auf Wagner
das Bild von Person und Werk sich durchaus im Lauf der Jahrzehnte immer wieder
auch gewandelt hat, Wagner somit durchaus auch "passend gemacht" wurde
für ästhetische Geschmäcker der Zeit, für weltanschauliche Haltungen, gerade
im dritten Reich.
So ergibt sich nach der Lektüre des Buches ein stimmiges Bild zumindest im
Ansatz Bermbachs, dass eben "die Landkarte seines Erbes und seiner
Wirkungen noch voller weißer Flecken ist, die darauf warten, endlich
eingefärbt zu werden".
Wobei Bermbach zwar durchaus erkennbar seinen Schwerpunkt in der Rezeption der
politisch-ästhetischen Weltanschauung Wagners setzt, beileibe aber auf diesem
Weg eine auch breitere Darstellung von Person und Werk Wagners nicht versäumt.
Vor allem aber die "Bayreuther Weltanschauung" als Hauptlinie der
Rezeption ist es, um die Bermbach immer wieder kreist und zu der er bei allen
Exkursen links und rechts wieder hin zurückkehrt. Eine politsch-ästhetische
Sicht der Welt, die gerade nach dem Tode Wagners "in Fahrt" gekommen
ist und über Jahrzehnte hinaus in weite Teile von Politik und Gesellschaft
eingewirkt hat. Nicht nur in der unsäglichen Verbindungen zum
"Führer", durchaus auch in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik
(mit vielfacher Reibung an der "neuen Demokratie") ist dieser Einfluss
fassbar zu spüren und wird von Bermbach sehr fundiert und verständlich
aufgearbeitet und vor Augen geführt. Mit dem Ergebnis, das es durchaus nicht
nur eine leichte Verfälschung Wagners ist, die "ihn und sein Erbe
kontinuierlich dem konservativen, völkisch-nationalen, später dem rechten und
rechtsradikalen Diskurs eingegliedert hat" und, hier vor allem, diese
Eingliederung als "natürlich Folge seiner (Wagners) Absichten ausgegeben
hat".
Ein gelungener Aspekt (unter vielen anderen) im Buch liegt mit darin, die linke,
revolutionäre Vergangenheit Wagners wieder in den Blick zu rücken und deren
Impulse im späteren Leben und Werk Wagners wieder aufzuspüren. Spannend und
exemplarisch zu lesen, nicht nur unter diesem Aspekt, sondern für den gesamten
Verlauf der Rezeptionsgeschichte, sind die Darlegungen Bermbachs zu den
"Stationen der Ring-Deutungen" nach 1876. Das Hauptwerk Wagners und
das Werk durchaus intensiver und feststellbarer Umdeutungen im Lauf der
Jahrzehnte.
Fazit
Als Abschluss der dreibändigen, umfassenden Betrachtung Wagners durch Bermbach
darf dieser Band als fundiert und gelungen bezeichnet werden und wirft einen
breiten Blick auf die Rezeption Wagners in den Jahrzehnten nach seinem Tod, eine
immer wieder gefärbte Rezension, die bei weitem nicht immer den inneren
Anliegen Wagners nicht immer folgte, durchaus aber den Anliegen von
"Bayreuth", den Erben.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Februar 2012 2012-02-24 14:07:13