Idealist, Zyniker und Provokateur
"Ich sage Euch, dass ihr ein durch und durch schädlicher Mensch
seid......".
Zumindest urteilt in dieser Form damals der päpstliche Gouverneur von Modena
und verweist Machiavelli seines Hauses. Er spricht damit aus, was das Bild
Machiavellis über Jahrhunderte hinweg zumindest mitbestimmte, wenn nicht sogar
fast alleine prägte.
Gut, dass Volker Reinhardt sich nun dieser, so scheint es, bekannten und doch in
manchen wichtigen Facetten im Buch neu überraschenden Figur der Geschichte
genähert hat.
Gut, weil Reinhardt hinter die Fassade zu schauen pflegt und Machiavelli näher
und tiefer ergründet als die verkürzten Darstellungen eines strategischen
Machtspielers, der vielfach überall dort zitiert wird, wo es nur um
vermeintliche Macht und Gewinne geht.
1469 wird Niccolo Machiavelli in Florenz in machtfernen Verhältnissen geboren.
Mitten hinein in die Renaissance, in die Blüte italienischer Kultur und Macht.
Eine politische Macht, in der Machiavelli seit 1498 eine Rolle spielt als
Sekretär der Regierung und mehrfacher Gesandter der Republik Florenz.
Ränkespiele, das Ringen um Einfluss, die Unterordnung sämtlicher
"Spielregeln" unter den strategischen Machterfolg und das von allen
Seiten der beteiligten großen und kleinen Mächte, dies sind die Zeichen der
Zeit, die Machiavelli prägen und innerhalb derer er bald schon beginnt, seine
eigenen Beobachtungen und Strategien zu entwickeln. Das Streben allein nach
eigenem Vorteil, nicht nur der Name Borgia ist mit diesen "Zielen" eng
verbunden, die gesamte Zeit atmete dieses rein machtorientierte Leben. Eine
Atmosphäre, die Reinhardt gelungen im Buch darstellt und dem Weg Machiavellis
in all diesem nachgeht.
Ein nicht ungebrochener Weg im Übrigen. Nach einer Niederlage und Wendung des
Kriegsglücks gegen Florenz kehren die Medici als Machthaber zurück,
Machiavelli wird seiner Ämter enthoben, verhaftet und gefoltert, nur eine
Amnestie rettet letztlich sein Leben. Politisch kaltgestellt verfasst er
"De Principatibus", aber auch Komödien und ein reichhaltige
Korrespondenz und so manche Schriften. Vor allem aber verbleibt er den Medici
gegenüber in kritischer Haltung bis zu seinem Tod 1527.
Diese äußeren Eckdaten versteht Reinhardt, mit Atmosphäre und Leben zu
versehen. Die Entwicklungen Machiavellis werden von Beginn an detailliert
dargestellt, sein Weg zu einem strategisch versierten "Gesandten im Auftrag
der Macht" zeichnet Reinhardt ebenso nachhaltig nach, wie er es allerdings
auch versteht, immer wieder den Blick hinter die Fassade des kühl, hart und
zynisch wirkenden Mannes zu werfen.
Gerade in seiner, inneren wie äußeren, Auseinandersetzung mit den Medici in
seinen letzten Lebensjahren wird deutlich, dass Machiavelli eine klare und
durchaus ideale Vorstellung des politischen und allgemeinen Lebens hatte.
Machiavelli kritisiert vernehmlich, dass oftmals Talente und Möglichkeiten der
Mächtigen nicht "zum Wohl der Republik" eingesetzt werden, sondern
nur für das eigene Klientel.
In dieser Einordnung und diesen Maßstäben an "die Macht und die
Mächtigen" wird Reinhardts Buch in der Darstellung der Werte und Ideale
Machiavellis äußerst fruchtbar für die Gegenwart, denn viel verändert hat
sich ja nicht unbedingt in der Ausrichtung der Macht.
Fazit
Das Buch ist verständlich geschrieben, nachvollziehbar in der Darstellung der
Entwicklungslinien Machiavellis und öffnet noch einmal eindrücklich den Blick
auch auf die auf Größeres ausgerichtete innere Haltung Machiavellis und zeigt
so ein differenziertes Bild einer oft verkürzt dargestellten Persönlichkeit.
Ein Buch über einen Mann, aber auch über die Politik, die Abläufe der Macht
und das, was an der Ausrichtung an Idealen oft fehlt in der Machtpolitik aller
Zeiten. Sehr empfehlenswert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 15. Februar 2012 2012-02-15 13:58:04