Innerer und äußerer Überlebenskampf
Nicht umsonst stehen die Bücher Adler Olsens regelmäßig auf den vordersten
Plätzen der Bestsellerlisten. Wenigen anderen Schriftstellern gelingt es, das
Böse im Menschen, die Grausamkeit, die Tiefen der Persönlichkeiten in solch
dichter und spannender Atmosphäre zu schildern, wie es Adler Olsen gelingt. Das
"Alphabet Haus" bildet hier keine Ausnahme. Obwohl es chronologisch
vor all den letzten Bestsellern Alder Olsens um Carl Mörck geschrieben wurde
und den Debütroman des Autors bildet. Was vor allem an der interessanten
Voraussetzung der Geschichte liegt und dem klug gewählten Ort des ersten Teils
der Handlung, sowie dem klug gewählten inneren, mentalen "Ort der
Handlung", quasi "dem Sitz des Bösen" im Menschen.
Auch wenn es offiziell als "Sanatorium" benannt wird, diese Anstalt im
Breisgau, das "Alphabethaus" kann mit Fug und Recht als grausames
"Irrenhaus" bezeichnet werden. Ein Ort, an dem sich im Winter 1944
zwei englische Offiziere einfinden. Männer, die nicht nur Kameraden, sondern
ebenso auch eng befreundet sind. In Feindesland gestrandet, des Deutschen nicht
mächtig, schlüpfen beide in die Rollen deutscher Offiziere, müssen aber ab
diesem Zeitpunkt "die Sprache verloren haben", um sich nicht zu
verraten und gelten unter den Deutschen somit als geisteskrank.
Dies alles bildet die präzise Einführung des ersten Teils der Geschichte und
die Grundlage der folgenden Ereignisse. Denn was die beiden englischen Offiziere
im "Alphabethaus" an körperlichen und seelischen Bedrückungen,
Foltern, Grausamkeiten zu ertragen haben, dies packt Adler Olsen in eine dichte
und spannende Geschichte hinein, die den Leser Seite für Seite zum einen
mitfiebern lässt mit den Protagonisten des Buches, mit deren Wohl und Wehe und,
zum anderen, versteht es Adler Olsen, den Leser ebenso ein um das andere Mal
sprachlos ob der Abgründe menschlichen Seins zurückzulassen.
Abgründe und Verhaltensweisen, die einen Menschen nicht nur körperlich hart
angehen, sondern quasi "in der Seele zerstört" zurücklassen können,
die für den Rest des Lebens keine Ruhe mehr lassen werden. Einerseits vom
Personal des Hauses, die ihren "Experimenten" freien Lauf zu lassen
verstehen, andererseits auch von Mitinsassen, denn die beiden englischen
Offiziere sind nicht die einzigen "Simulanten" im Haus und die Gefahr
durch andere "Untergeschlüpfte" ist deutlich höher noch
einzuschätzen als die durch Ärzte und Pfleger (von denen die Meisten diesen
Namen kaum verdienen).
Wer vorher noch einigermaßen bei Sinnen war, der wird diese Zeit dort nicht
geistig gesund überstehen können.
All dies schildert Adler Olsen in solcher Präzision und bildkräftigen Sprache,
das es ihm beständig gelingt, den Leser mit im Geschehen zu halten und diesen
einfach nicht auszulassen vom Anblick dessen, was Menschen an Bösem auch in
sich tragen. Zumindest so einige.
Aber damit nicht genug. Einem der beiden englischen Offiziere gelingt die Flucht
aus dem "Alphabethaus" und all diese Ereignisse dort bilden wiederum
nur den Hintergrund, die Erinnerung eines der beiden, Bryans, dem dies alles
auch nach Jahrzehnten noch keine Ruhe lässt und der sich nun in der Gegenwart
des Romans, Jahrzehnte später, aufmacht, um nach seinem Freund James zu suchen,
den er bei der Flucht zurücklassen musste.
Und auch in dieser Gegenwart des Romans lässt Adler Olsen keinen Zweifel daran,
dass menschliche Abgründe und Bösartigkeiten in jedem Umfeld und jedem System
sich ihren Weg bahnen und ihren Ort finden werden. Denn auch die Suche nach
seinem Freund James Jahrzehnte nach Kriegsende wird Bryan umgehend in
gefährliche Situationen bringen, in einen Kampf wiederum um das nackte
Überlegen, getrieben von der Hoffnung, seinen Freund James doch noch nach fast
dreißig Jahren zu finden. Dreißig Jahre später, die James hätte überleben
können, die aber auch eine Vielzahl der Gegner und der eifrigen Kriegstreiber
der damaligen Zeit noch in Saft und Kraft (und besten Verhältnissen teilweise),
vor allem aber gefährlich vorfinden lässt.
Fazit
Schon dieser erste Roman Adler Olsen offenbart alle Qualitäten des Autors. Eine
intensive und nicht loslassende Atmosphäre, eine ständig greifbare Spannung,
ein Ausloten der Personen des Buches in der auch schrecklichen Tiefen. Eine
Erzählweise, die den Leser gerne über die ein oder andere kleinere
Ungereimtheit hinwegsehen lässt. Mithin ein hervorragendes Buch.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 04. Februar 2012 2012-02-04 12:44:15