Eindrucksvolle Biographie zweier "Naturen"
Schon Titel und Untertitel des Buches verdeutlichen den Weg, den Gerhard Schulz,
Professor für deutsche Sprache und Literatur im Buch zu gehen gedenkt.
Einerseits Werk und Schaffen des Dichters Novalis fundiert und im
Lebenszusammenhang dem Leser vor die Augen zu führen, andererseits das
"eigentliche" Leben des Mannes Friedrich von Hardenberg
nachzuvollziehen. Ein "alltägliches" Leben, welches auf den ersten
Blick in seinen Vollzügen und seinem Beruf so gar nicht eine Verbindung zu dem
Dichter offen vor Augen legen würde, der als Inbegriff der Romantik seinen
Namen verewigt hat. Der aber eben nicht nur als Dichter sondern als ganze
Person, als Friedrich von Hardenberg feinfühlig und fast ätherisch schwebend
seiner Geliebten hinter her zu sterben gedachte. Der nun nicht ursächlich aus
diesem Wunsch heraus starb, dennoch aber keine 30 Jahre alt wurde, berufliche
Ambitionen im Blick auf den sächsischen Staatsdienst nicht mehr umsetzten
konnte und als Dichter nur wenige Jahre der Schaffenskraft erleben durfte.
Nicht nur im Werk, auch in der Kürze seines Lebens, auch in den äußeren
Gegensätzen zwischen Alltagsleben und Dichtung liegt eine Faszination an der
Person, welche die Jahrhunderte spielend überdauert hat. Faszination für
"Novalis", für das ätherisch abgehobene, feinfühlige, romantische
des Dichters, der "Schmetterlinge lachen hörte", weniger aber für
jenen Friedrich von Hadenberg, der als Beamter, als Bergbauingenieur seinen
Alltag durchaus bestanden hat und auch in dieser Hinsicht weitere Pläne
verfolgte, die nur durch seinen Tod einen plötzlichen Abbruch erfuhren.
Es gibt sie aber, die Verbindungslinien zwischen beiden "Existenzen".
Es sind nicht "zwei Seelen" die in einer Brust konkurrierten. Aber man
muss schon genau hinschauen, um das eine im anderen zu erkennen und den Dichter
aus dem Alltagsleben heraus mit ableiten zu können. Gerhard Schulz schaut genau
hin und ist in der Lage, diese Verbindungen aufzuzeigen, indem er das Leben des
Friedrich von Hardenberg biographisch nachzeichnet.
"Des Dichters Reich sey die Welt in den Focus seiner Zeit gedrängt".
Weite und konkretes Leben gehören beide hinzu, aus dem konkreten Alltagsleben
heraus die Weite suchen und den Himmel berühren, schwerelos fast, das ist der
Weg des Dichters Novalis, zu dessen Lieblingsworten jene umfassende
"Welt" und das "Universum" zählten.
Eine Welt, die von Hardenberg selbst kaum in Person erlebt hat. Geographisch,
auch dies legt Schulz fundiert nach in seinen Folgen, hat von Hardenberg die
"deutsche Mitte" nicht verlassen, wohl aber dichterisch ganz andere
Weiten innerer Welten sich erschlossen. Schon zu Jugendzeiten brechen Dichtungen
heraus, versucht sich Novalis in gängiger Form an Umdichtungen und
Übersetzungen. Eine geahnte Schaffenslust und Schaffenskraft, die tatsächlich
durch den Tod seiner jungen Geliebten dann erst einen eigenen Ton, eine eigene
Kraft, eine eigene "Schwärmerei" entfaltet.
Auch diese "Geburtsstunde" des "Novalis" (auch wenn diese
Namensfindung und Namensgebung noch fast ein Jahr auf sich warten lassen wird)
vollzieht Schulz im Buch einsichtig und fundiert nach. Ein Pseudonym, das nicht
in erster Linie einen Gegensatz in der Persönlichkeit betont, sondern zunächst
sicherlich auch und vor allem als Schutz gedacht war, dem "ehrbaren Beamten
von Hardenberg" nicht den nötigen Respekt zu verweigern, denn diese
"zivile" Existenz war keine Last, sondern durchaus auch Lust für von
Hardenberg.
Hervorragend stellt Schulz diesen Gegensatz zwischen "nüchternem
Beruf", den von Hardenberg mit Leidenschaft durchaus ausübte und dem
Poeten und Dichter Novalis dar, welcher er mit ebensolcher "Lust und
Hingabe" war.
Fazit
Gerhard Schulz legt eine chronologisch geordnete, fundierte Biographie des
Friedrich von Hardenberg und des Novalis vor, in der er vermeintliche
Widersprüchlichkeiten beider Personen in eben doch eine gesamte Person hinein
erläutert, den Lebensweg im bürgerlichen Beruf und im dichterischen Werk
nachvollzieht und sprachlich einprägsam und verständlich so ein Gesamtportrait
dieses idealtypischsten aller Romantiker überzeugend darstellt. Ein Portrait,
dass auch allgemein aufzeigt, wie verschiedenste Neigungen und Interessen Platz
in einem Leben finden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Januar 2012 2012-01-24 12:26:09