Regionalgeschichtlicher Blick auf den Umgang mit der Umwelt
Eine sich verändernde Umwelt, ein sich änderndes Klima und der Versuch, sich
diesem einerseits anzupassen und andererseits Maßnahmen gegen eine allzu starke
Veränderung des Klimas und eine Schädigung der Umwelt zu ergreifen sind hoch
aktuelle Themen. Und waren dies durchaus bereits in der Vergangenheit, was man
in der aktuellen Diskussion doch allzu oft nicht mit einbringt.
Rolf Kießling und Wolfgang Scheffknecht haben nun als Herausgeber im
vorliegenden Band, basierend auf einer Tagung des "Memminger Forums"
2009 sich dieser "Umgangsgeschichte" mit Umwelt und Klima regional
begrenzt auf Regionen Oberschwabens, zugewendet. Wobei ihre Betrachtungsobjekte
sich nicht allein in klimatischen Bedingungen erschöpfen.
Pest und Bedrängung, "kleine Eiszeit" und Raubbau an den Wäldern
durch den Bergbau stehen hier als Ereignisse der Geschichte, auf welche die
jeweils konkret zu jener Zeit lebenden Menschen reagiert haben. Techniken der
Waldschonung oder Gedanken des Tierschutzes auch schon in vergangenen
Jahrhunderten zeigen auf, dass eine Sensibilisierung im Umgang mit dem eigenen
ökologischen Lebensraum durchaus nicht erst in den 70er Jahren des letzten
Jahrhunderts "erfunden" worden ist.
So zeigt schon der Einstieg in das Buch auf, dass eine intensive
Klimabeobachtung (und der Versuch, daraus Handlungsfolgen abzuleiten) bereits im
15. Jahrhundert durchaus rege betrieben wurde. Korrekturbedürftig, sicherlich,
aber danach durchaus mit vielfältigen Aussagen in der Langzeitbeobachtung des
Klimas. Klimaveränderungen, die durchaus drastische Konsequenzen nach sich
zogen, wie eine paneuropäische Hungerkrise im 14. Jahrhundert. Mit Folgen im
Rahmen langfristiger Veränderungen in der Landwirtschaft (auch fast modern
anmutende Instrumente des materiellen Ausgleichs (Schadenausgleich zwischen
Grundherren und Bauern) zeigen einmal mehr im Buch auf, dass viele der
gegenwärtigen Probleme nicht unbedingt neu sind und Menschen zu allen Zeiten
Wege suchten, dieses sozial und technisch zu bewältigen.
Dazu gehören auch andere Einflüsse des "Umfeldes", nicht nur
klimatische Bedingungen. Hier greift die medizinhistorische Forschung, die sich
im Buch auch den Ursachen und Folgen epidemischer Krankheiten zuwendet (Pest)
und diese in Relation zum gesamten "Umweltstatus" setzt (Schwieriges
Klima = Fehlernten = Hunger = erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten).
Besonders hervorgehoben wird das "heilige Feuer", heute als
"Mutterkornbrand" bezeichnet.. Exemplarisch an dieser "Geißel
des Mittelalters" vollzieht Peer Friess im Buch Ursachen und
Verbreitungswege nach.
Insgesamt setzen die Herausgeber und Autoren die "Umweltgeschichte" in
breiter und differenzierter Form als Teil der geschichtlichen Forschung in den
Fokus ihrer Betrachtungen und fundieren so den Stellenwert dieser Disziplin.
Zudem wird im Buch nachvollziehbar deutlich, dass die Geschichte des Menschen
mit seiner Umwelt im Spannungsfeld des Ausgeliefertsein einerseits und den
Versuchen des steuernden Eingreifens andererseits eine lange Tradition
aufzuweisen hat.
Traditionen, Erkenntnisse, Umgangsweise, die nicht in direkter Form auf
gegenwärtige Problematiken (weder in den Ursachen noch in den Handlungsweisen)
übertragen werden können, durchaus aber Linien aufzeigen, anhand derer
wichtige Erkenntnisse auch für die Gegenwart möglich sind.
Fazit
In erster Linie ist das Buch für historisch forschende Leser von Interesse. Ob
der starken regionalen Einschränkung der Betrachtung und des hohen
wissenschaftlichen Anspruches als rein "allgemein" Lektüre weniger zu
empfehlen. Dennoch aber trägt das Buch durchaus interessante Erkenntnisse zur
bereits lange Währenden Auseinandersetzung des Menschen mit unwirtlichen
Umweltereignissen in sich.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 13. Dezember 2011 2011-12-13 10:23:57