Investigativer Journalismus gegen Geheimdienst
Es ist ein durchaus bekanntes Motiv, welches Lorraine Adams ihrem neuen Roman
zugrunde legt. Geheime Informationen, die an die Presse gehen, der aufklärende
Journalismus, der darauf folgen soll und auf der anderen Seite eine
amerikanische Geheimdienstabteilung, die genau diese Aufklärung um (fast?)
jeden Preis zu verhindern gedenkt mit zudem erschwerenden Turbulenzen in der
Redaktion selbst.
Sei es Watergate, seien es die vielfachen Thriller und Filme zu einem solchen
Sujet, immer wieder ergibt genau diese Konstellation einen hervorragenden Stoff
für Romane. Und beileibe sind es nicht die schlechtesten Geschichten und
Bücher, die zu dieser Konstellation erzählt wurden.
Wenn dann noch die Autorin aus eigener Anschauung genau weiß, wovon sie
spricht, Pulitzer Preisträgerin ist und sich einem der neuralgischsten Themen
der letzten Jahre zuwendet, nämlich der Frage des Umgangs mit der Wahrheit in
militärischen Belangen, dann ist eine gute Geschichte fast vorprogrammiert. Und
genauso tritt es ein. Im Kern zumindest und in weiten Teilen, allerdings auch
mit Schwächen. Sprachlich zumindest ist der Stil von Lorrain Adams
gewöhnungsbedürftig, assoziativ, bildhaft. Eie Sprache, mit der es dennoch
(oder gerade deswegen?) gelingt, die einen Roman innewohnender Bilder und
Emotionen hervorzubringen und nicht eine Form verkappter Reportage oder quasi
Dokumentation. Seien es vor allem die minutiöse Beschreibung der engen (auch
privaten) Verzahnung von Macht und Medien, von Retuschierung der Fakten bis hin
zur einfachen Leugnung der Wahrheit, bei der die im Buch agierenden Medien
ebenso aktiv (oder aus Unfähigkeit einfach) daran sich beteiligen wie die
Abteilung des Geheimdienstes mit ihrer klaren Linie der Desinformation. Wie
überhaupt der "Alltag" in der Redaktion mitsamt allen Intrigen,
Allüren und Eitelkeiten einen breiten Raum im Buch einnimmt, ein Raum, der
durchaus informativ zu lesen ist, allerdings dem "roten Faden" des
Thrillers nicht unbedingt immer zuträglich zur Seite steht.
Schon die erste Überschrift im Buch zeigt an, wo es lang geht. "Wir sind
Schatten" ist das erste Kapitel übertitelt und im Lauf der temporeichen
und durchaus harten Handlung könnte sich dieser Eindruck durchaus verdichten,
dass der "normale" Bürger, letztlich aber fast alle Beteiligten auf
allen Seiten des Geschehens nur "Schatten" sind, kaum in der
Wahrnehmung der Mächtigen vorhanden. Und zudem legt Adams dies alles überaus
spannend vor. Schon zu Beginn verflogt der Leser atemlos das Ergehen der Pilotin
Mary, die über Washington den Schleudersitz ihrer Viper betätigen muss und
zusieht, wie die Maschine abstürzt. Computerausfall. Warum? Was wird aus ihr?
Wie nebensächlich schildert Adams das ausgerenkte und verdrehte Bein, die
"vergesslichen Hände" der Pilotin. Ein Ereignis, welches die
Journalistin Vera auf den Plan ruft, die zunächst dem Absturz nachgeht und bald
beginnt, die Hintergründe aufzudecken. Eine Recherche, die sich nur mühsam
anlässt und die nicht nur durch den Geheimdienstler Holmes, sondern auch durch
die durcheinander laufenden Verhältnisse im Inneren ihrer Zeitung, der
Washington Post, erschwert wird.
Während der Geheimdienst alle Spuren des Unfalls beseitig und die Pilotin Mary
mitsamt ihrem "Wingmen" umgehend ans Ende der Welt (Afghanistan)
versetzt, bleibt Vera hartnäckig am Geschehen. Aus ihrer Sicht, aber auch mit
Einschüben aus Perspektive der Pilotin Mary, entfaltet Lorrain Adams im
Folgenden die Hintergründe des Geschehens um ein geheimes, militärisches
Projekt.
Desinformation, Vertuschung, journalistische Eitelkeiten, Tageschaos in der
Redaktion, das Gerieren der eigentlichen (und vermeintlich) Mächtigen im
Gefüge der Hauptstadt Amerikas, der unsägliche Umgang mit der Wahrheit, nicht
nur, was den "konkreten Fall" angeht, sondern auch, wie im Buch
ausführlich beschrieben, die gesamte Informationspolitik zu Afghanistan sind an
der Tagesordnung und werden von Adams durchaus kühl und ungeschminkt
dargestellt.
In der Sprache allerdings finden sich hier und da zu verknappte, assoziative,
wie in Stichworten daherkommende Passagen, die,manches Mal den Leser verwirrt
zunächst zurücklassen und zusammen mit den Orts- und Themenwechseln es nicht
leicht machen, dem roten Faden der Geschichte zu folgen.
Fazit
Alles in allem aber ein fundierter und in Teilen gradliniger Thriller, bei dem
die "Innenansicht" des Tagesgeschäftes der Medien hervorragend mit in
Szene gesetzt wird und die ständige Manipulation der Fakten hin zu einer
"genehmen und passenden" Wahrheit eher die Regel denn die Ausnahme zu
sein scheint. Mit einigen sprachlichen Hürden versehen, welche die Lektüre
teilweise unnötig anstrengend gestalten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. November 2011 2011-11-02 16:36:21