Verbindender Rundumblick
Drei thematisch orientierte Bände sind es, die dieses Handbuch in der äußeren
Form zunächst ausmachen.
Zunächst legen die Herausgeber die "Grundlagen und
Schlüsselbegriffe" der innewohnenden Fachbereiche und des gesamten Faches
vor (Kultur als Erfahrung, als Erfahrung die zur "Sprache" kommt,
Kultur als Praxis in konkreten Strukturen, die Geltungsansprüche der Kulturen,
die Rolle der Kultur im Sinne der Identität und ein historischer Abriss der
Kultur in der Geschichte und der Veränderung der Sinnkonzepte).
Im zweiten Band konkretisieren die Herausgeber die grundlegenden Einlassungen
und Beobachtungen des ersten Teils im Blick auf "Paradigmen und
Disziplinen" der Kulturwissenschaft (Kultur und Lebenspraxis (die
"praktischen Künste auch), die grundlegenden wissenschaftlichen
Problemstellungen (Sprache und Wirklichkeit, narrative Paradigmen etc.), eine
breite Erläuterung des vorherrschenden handlungstheoretischen Ansatzes in der
Kulturwissenschaft und seine diversen Verästelungen. Das Paradigma der Sprache
wird aufgenommen (in breiter Betrachtungsform von der Hermeneutik über den
Neostrukturalismus bis zum Unbewussten und darüber hinaus). Abschließend
werden die erhobenen Methoden im Rahmen der diversen Disziplinen vorgestellt
(Psychologie, Psychoanalyse, Theologie, Ethnologie Pädagogik, Historie
u.a.).
Der dritte Band "Themen und Tendenzen" läuft im Kern auf eine
Erhebung des aktuellen Standes der Forschung hin hinaus. Sehr gut gelöst (und
zum Anlesen vielleicht als Einstieg in das Gesamtwerk gut geeignet" ist der
erste Teil dieses Bandes über die "Brennpunkte einer
kulturwissenschaftlichen Interpretation der Kultur". Im Abgleich mit der
"Wissensgesellschaft", mit "menschlichen Traumata"
(Holocaust), mit "Gedächtnis und Erinnerung", aber auch die ewig sich
stellende Reflektion zwischen dem "Eigenen und dem Fremden" wird hier
verdeutlicht, welchen Zugang sich die Kulturwissenschaft zu kulturellen
Gegebenheiten sucht und in welcher Form Ergebnisse der kulturwissenschaftlichen
Betrachtungen dem Verstehen von Strukturen und Prozessen dienlich sind. Als
Thema brandaktuell stellt sich auch der folgende Punkt der Betrachtung von
"Wirtschaft und Kapitalismus" dar, jener weitre von "Politik und
Recht" und letztlich die fast übergeordnete Betrachtung von
"Gesellschaft und kultureller Vergesellschaftung".
Ein breiter "Rundumschlag" durch das ebenso breite Feld der
Kulturwissenschaften, das bei weitem keine homogene "Kooperation der
Disziplinen" bisher gepflegt hat. Durch das Handbuch aber wird deutlich in
den Raum gesetzt, wie und, vor allem, das die verschiedenen Disziplinen
letztendlich an einem gemeinsamen Thema arbeiten und dies aus vielfältigen
Richtungen angehen. Ebenso, wie deutlich wird, dass die Kulturwissenschaft
zunehmendes Gewicht auch im öffentlichen Diskurs gewinnt. Viele aktuell
drängende Fragen sind letztendlich Fragen des Menschen und der Kultur, die er
im Zusammenleben erschafft (und die bei weitem nicht immer reibungslos
funktionieren). Problematisch aber ist eben, dass das Selbstverständnis der
Kulturwissenschaften auf vielen Ebenen noch nicht abschließend geklärt ist.
Als aber eine mögliche "Einheit in Vielfalt" (pluralistische
Disziplinen), bei der die interdisziplinären Erkenntnisse und Fragestellungen
enger verknüpft werden und damit den gemeinsamen "Boden" der
Fachrichtungen angeben können, wäre die Kulturwissenschaft durchaus in der
Lage, bei Fragen der Globalisierung, der gesellschaftlichen Krisen, der
Verantwortung der gesellschaftlichen Teilbereiche und des Zusammenwirkens
zwischen Politik, Staat und Individuum gehaltvolle und wegweisende Antworten zu
geben.
Das vorliegende Handbuch ist ein durchaus fundierter und wichtiger Schritt, die
Methodik, die Fragerichtungen und die Ausgangspunkt der diversen
kulturwissenschaftlichen Disziplinen zumindest geordnet vor Augen zu führen und
jene wesentlichen Punkte zu benennen (und einen Weg dorthin gangbar zu
gestalten), an denen eine intensive Vernetzung stattfinden soll, kann und, in
Teilen, bereits stattfindet.
Fazit
Bei aller Verschiedenheit der Fragestellungen und der Methodik der einzelnen
Disziplinen, weist das Handbuch einen gute und gangbaren Weg auf, das Gemeinsame
in der Vernetzung zu entdecken und zu stärken und das je Eigene in der
entsprechenden Fachrichtung zu belassen. Mit dem hohen Vorteil, dass gerade an
den vernetzten Punkten auch "Leben" in die Ergebnisse kommt, denn an
diesen Punkten befinden sich die drängenden Fragen der kulturellen
Entwicklungen (gerade auch in dieser Zeit, wie deutlich aus dem Buch ableitbar
ist). Hierzu dienen die Vielen, in der Regel fundierten und nachvollziehbar
strukturierten Artikel durchaus. In erster Linie sicherlich zur weiteren
Forschung am "Gesamtkomplex", aber auch in einzelnen Abschnitten zur
reflektierenden Betrachtung aktueller, drängender "tagespolitischer und
tagskultureller" Fragen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 18. Oktober 2011 2011-10-18 11:49:18