Tod, Kunst, Vergangenheit und Gegenwart
Einige Romane hat Wolfram Fleischhauer bisher veröffentlich, sein Gang in das
Thriller Genre hinein aber ist neu.
Wie aufgrund seiner bisherigen literarischen Leistungen nicht überraschend ist
Fleischhauer durchaus in der Lage, auch im Bereich des Thrillers sprachlich
anregend und mit großem Wortschatz seine Geschichte zu erzählen. Eine
Geschichte, die einerseits überaus verschachtelt daherkommt und dabei sowohl
hochaktuelle Themen wie Ereignisse der Vergangenheit und der Kunstgeschichte in
sich aufnimmt, die aber anderseits zu keinem Zeitpunkt den roten Faden vermissen
lässt. Sowohl die Wirtschaftskriminalität, die gierigen Volten der Politiker
an den Finanzmärkten, als auch die doch nun einige Jahrzehnte zurückliegenden
Ereignisse in der Vergangenheit der DDR verbinden sich im Verlauf des Buches zu
einem umfassenden Ganzen und einer erkennbaren Kritik an den gegenwärtig
einzwängenden und ausufernden Problemen der Finanzwirtschaft und der
Politik.
Lange aber tappen sowohl die ermittelnden Polizisten als auch der Leser
zunächst im Dunkeln. Kein wirklicher Anhaltspunkt ist zu finden, als zunächst
einer, dann ein zweiter verschandelter Torso einer toten Frau auftauchen.
Leichenteile einer Frau gepaart mit Leichenteilen von Tieren. Welche Botschaft
steckt hinter diesen "Kreationen"? Wer überhaupt ist der Adressat
dieser Botschaften?
Erst, als Fleischhauer im Buch beginnt, den Strang der Finanzkriminalität auf
höchster Ebene langsam mit einzuführen, ahnt der Leser, dass hier eines der
losen Enden des Falles zu finden sein wird. Und erhält zudem von diesem
Zeitpunkt an einen dich durchziehenden Vorsprung vor den ermittelnden Beamten.
Ein Fall, der zur Lösung zudem einiges an Kunstverständnis des ermittelnden
Kommissars Martin Zollanger, 61 Jahre alt und ehemaliger, überzeugter
Volkspolizist der DDR und Sozialist, erfordern wird. Kann es sein, dass nicht
nur aus den Verwicklungen der Gegenwart auf höchster Ebene in Berlin, sondern
auch aus seiner eigenen Vergangenheit heraus Spuren bis in die künstlerisch
drapierten Torsi hineinreichen?
Zeitgleich macht sich die junge Frau Elin auf, den schnell zu den Akten gelegten
Selbstmord Ihres Bruders Eric auf eigene Faust neu zu untersuchen. Elin, das
Gegenbild zu jener Welt im Buch, in der es um Geld, Finanzmärkte und
Kreditlinien geht. Eine, die sich auf das Fahrrad beschränkt, weitestgehend
ohne Geld ihr Leben organisieren möchte, das Essen von Tieren ablehnt und mit
ihren Freunden und Bekannten beginnt, die digitalen Hinterlassenschaften Ihres
Bruders, eines IT Fachmannes, zu durchforsten. Und damit in das Fadenkreuz jener
Männer gerät, auf die es auch der Mann hinter den Torsi letztlich abgesehen
hat. Ein Fortgang der Geschichte, auf dem sich die Wege aller Beteiligten
kreuzen werden, allerdings in überraschender und unvorhersehbarer Weise.
Interessante und differenzierte Figuren gestaltet Fleischhauer, die er wie in
einem Suchbild arrangiert. In einer Geschichte eines unkonventionell gestalteten
Falles, in der es letztlich gar nicht um Mord gehen wird, sondern um alte
Rechnungen, die offen stehen und eine neue Lebensweise der Gier und des
Betrügens, welches die Welt gerade auf den höchsten Ebenen durchzieht. Dagegen
anzukommen scheint nicht möglich und der Versuch kaum ratsam, vielleicht aber
finden sich im Lauf des Buches doch Mittel und Wege.
An manchen Stellen findet sich die ein oder andere Verschachtelung zuviel
allerdings durchaus im Buch. Torso, Familienbande, Vergangenheit im Dunstbereich
der Stasi, Finanzkonstrukte, Politiker, Entführung, die Szene der Obdachlosen
und Armen in Berlin, es braucht manchmal, um da den Überblick zu behalten und
hier hätte weniger durchaus einer Straffung gut getan.
Echte Spannungsmomente übrigens im Sinne körperlicher Bedrohungen sind im Buch
eher rar gesät und wo sie vorkommen springt der Funke nicht unbedingt auf den
Leser über.
Wohl aber ist es eine Stärke Fleischhauers, eine intensive
Ermittlungsgeschichte mit vielen Überraschungen zu erzählen, in der er es
nicht versäumt, tief in das Innere seiner Protagonisten einzutauchen und damit
vor allem die Zwänge und Dramen ins Licht zu rücken, denen seine Figuren
ausgesetzt sind.
Fazit
Im Gesamten ein andersartiger, sprachlich ausgereifter Thriller, in dem hier und
da ein zuviel an Themen den klaren Blick verstellt. Letztendlich aber mit einer
logischen und alle Fäden vereinenden, überraschenden Auflösung.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 14. Oktober 2011 2011-10-14 17:54:23