Der Lehrer, der Schulinspektor und eine Schülerin erzählen diese Geschichte
jeweils aus ihrer Sicht. Manuel, Musik- und Englischlehrer, ist gerade dabei,
ein paar alte Schulbänke auf den Dachboden seines geräumigen Bauernhauses zu
bringen. In diesem Sommer sind viele verreist und Manuels Leben reduziert sich
auf den Hund, den er im Urlaub seiner Nachbarn betreuen wird. Die Möbelstücke
stehen für einen konsequenten Schnitt in seinem Leben. Hat Manuel sich zur
Kündigung nötigen lassen? Ist er aus dem Schuldienst gemobbt worden? Der bei
seinen Schülern beliebte Lehrer kann den Tod seiner Frau auch nach Jahren nicht
verwinden; Marianne ist seine Gesprächspartnerin. Manuel bot im letzten
Schuljahr das Projekt Schüler-Band an. Seine Schüler sollten nicht nur
Musikstücke komponieren, sondern ihre Auftritte selbst organisieren und
vermarkten. Clarissa war für das Protokollieren der Ereignisse in einem Blog
verantwortlich. Nun steht Clarissa plötzlich in Manuels Küche und mit ihr die
Erinnerung, dass sich eine von Manuels Schülerinnen im letzten Jahr das Leben
genommen hat. Mit der Schüler-Band hat Manuel sich an seiner Schule vermutlich
nicht nur Freunde gemacht. Die digitale Welt erregt die Angst der Etablierten,
vermutet er. Als Witwer vereinsamt, isoliert in seinem Dorf irgendwo in der
Heide, fiel Manuel möglicherweise in private Freundschaften zu seinen Schülern
die fachliche Distanz schwer. Nach Merets Tod wurde Manuels Bauernhaus zu einem
Refugium der Trauernden, eine Parallelwelt, in der der PC ausgeschaltet blieb.
In dieser konfliktträchtigen Ausgangssituation wechselt die Erzählperspektive
mit dem Auftreten des Schulinspektors Johannes Engler. Den Auftrag hat Engler
von seinem Professor erhalten; dem bekannt ist, dass Engler dringend Geld
benötigt. Der Inspektor ist selbst Musiker, ein schwieriger Mensch, der
untersuchen soll, wie die Schulgemeinschaft den Selbstmord einer Schülerin
verarbeitet hat. Bei der Suche nach Informationen über Meret bändelt Engler
mit Clarissa an - auch er hat Probleme mit der professionellen Distanz. Merets
und Clarissas Schule wird als Pionierprojekt von den Eltern und von einem
privaten Sponsor finanziert, der im Gegenzug für seine Milchprodukte werben
darf, und nur zu einem Teil vom Staat. Das Finanzierungsmodell führte zu
Einmischung Schulfremder in den Unterricht und ist u. a. Grund für Manuels
Frust. Der dritte Teil des Romans besteht aus Clarissas Blogeinträgen über die
Europa-Tournee der Band Animal Museums und schlägt einen Bogen direkt zurück
zum Beginn des Romans.
Der erste Teil um den Lehrer Manuel hat mich am intensivsten angesprochen, das
Auftauchen Englers nahm Tempo aus der konfliktreichen Situation und Clarissas
Aufzeichnungen klären schließlich die Ereignisse um Merets Tod und die
Beziehung der Schüler zu Manuel.
Fazit
Jan Böttcher hat mit
Nachglühen bereits einen
Provinzroman vorgelegt und zeigt nun wieder sein Talent, die klaustrophobische
Idylle eines kleinen Ortes zu charakterisieren. Die Stille des Sommers, die
alten Gebäude zwischen Obstbäumen kontrastieren mit der Welt moderner Medien,
in der Manuels Schüler sich bewegen. Die Auswirkungen auf die
Unterrichts-Atmosphäre, wenn ein Unternehmen eine Schule finanziert, lassen
sich ahnen. Einen wichtigen Anteil an der Handlung haben die Songtexte; der
besondere Reiz dieses Romans ergibt sich aus dem unterschiedlichen Alter der
drei Erzähler und ihrer Beziehung zueinander.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 11. Oktober 2011 2011-10-11 09:40:08