Prof. Greiner ist Experte für die Geschichte und Politik der USA, die er seit
Jahrzehnten durchaus kritisch betrachtet (vgl. seine beiden Publikationen zur
Kuba-Krise von 1987 und 2010). So war ich sehr gespannt auf seine Darlegung der
Ursachen des 11. September. Greiner geht in einem ersten Kapitel recht kurz auf
den Verlauf dieses Tages ein, wobei er sich mit Verschwörungstheorien m.E. viel
zu wenig auseinandersetzt. Er beleuchtet dann - ebenfalls sehr kurz - die
Ursachen des Hasses von Al Quaida auf den Westen anhand der Lebensläufe Osama
Ben Ladns und anderer Al Quaida-Mitglieder. Dabei wird kurz auf die Frage
eingegangen, wie die islamischen Schulen zur Frage des Dschihad, des Heiligen
Krieges gegen "Ungläubige" stehen und die Antwort fällt
differenziert aus. Letztlich führt Greiner den Hass von Al Quaida auf negative
Folgen der Globalisierung zurück, auch wenn er darin nicht das einzige Motiv
sieht.
In Anlehnung an Süskinds bahnbrechendes Werk: "The one Percent
droctrine" untersucht Greiner schwerpunktmäßig die amerikanische Reaktion
auf den 11. September und bietet eine hervorragende Analyse der Denkungsart der
Regierung Bush, wobei er insbesondere auf Vizepräsident Cheney, den er
eindeutig als "starken Mann" in der Regierung Bush sieht, ein.
Schwarz-Weiß-Denken, Fixierung auf Geopolitik und Präemption, imperiale
Präsidentschaft, die der Exekutive Vollmachten zubilligt, die von der
US-Verfassung nicht gedeckt sind und vor allem die Vorstellung, Terroristen
seien eine Gefährdung der Sicherheit der USA, wenn eine Aggression ihrerseits
nur zu einem Prozent wahrscheinlich sei (One Percent droctrine)und daher seien
Beweise nur zeitraubend und unnötig, die "Gefahr" prä-emptiv, also
vorsorglich, zu beseitigen und die Terroristen zu vernichten, ist m.E. die
zentrale Aussage in diesem Buch, die alle weiteren Kapitel, etwa über die
Einschränkung des Rechtsstaates und die Maßnahmen der Regierung Bush/Cheney,
die ausführlich geschildert werden, begründet.
Doch auch von Obamas Politik zeigt sich Greiner enttäuscht. Er sei letztlich
den Republikanern entgegengekommen und seine Wahlversprechungen nicht
eingelöst. Gewalt, so das Fazit Greiners, könne den Terror nicht bekämpfen
und seine Ursachen nicht beseitigen, Angst - und Greiner erklärt die Aktionen
der Bush-Regierung insbesondere mit der Angst der Akteure um ihr Leben (so habe
Vizepräsident Cheney im Zusammenhang mit den Anschlägen immer von einer
Gefährdung Wahshingtons, nicht New Yorks gesprochen) hätten Denkweisen der
Regierung Bush begründet. Schlimmer noch, die Regierung Bush habe Informationen
nur akzeptiert, wenn sie ihrem ideologischen Weltbild entgegengekommen sei und
Dinge, die nicht in ihr Weltbild passten, einfach ignoriert, diese gegenteiligen
Informationen auch nicht ernsthaft geprüft.
Das Buch ist insofern hochinteressant, mit zahlreichen Quellen und Details. Es
konzentriert sich allerdings zu sehr auf die Politik der Bush-Regierung und geht
mir zu wenig auf den Verlauf des 11. September ein, weil auf eine
Auseinandersetzung mit den Verschwörungstheorien gänzlich verzichtet wird.
Auch die Analyse der Motive der Al Quaida Anhänger hätte ich mir
ausführlicher gewünscht. Der Buchtitel hätte m.E. daher treffender lauten
müssen: "Die Auswirkungen des 11. September auf die US-Politik".
Fazit
Daher ziehe ich bei der Bewertung dieses ansonsten durchaus interessanten Buches
zwei Punkte ab. Dennoch insgesamt - neben den Publikationen von Aust/Schnibben
oder den Publikationen von süskind und Bob Woodward (Bush at War, Der Angriff)
oder dem Buch von Richard A. Clarke: "Against all enemies" sehr
informativ.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 11. September 2011 2011-09-11 11:32:27