"Operation Schneewolf" von Glenn Meade habe ich mit grossem Interesse
gelesen. Es handelt sich um einen atemberaubenden Politthriller, der jedoch auch
die Qualitäten des Thrillers, dem es primär um das Erzeugen von Spannung geht,
mit denen des historischen Romans verquickt. Gab es eine "Operation
Schneewolf", einen geheimen Plan des amerikanischen Geheimdienstes, Josef
Stalin zu ermorden? Und wie starb der sowjetische Diktator im März 1953
tatsächlich? Auf diese Fragen stößt William Massey, als er den Nachlass
seines verstorbenen Vaters 40 Jahre nach dessen Tod zu Gesicht bekommt.
Angeblich starb Jakob Massey durch Selbstmord. Doch unter dem angeblichen
Todestag, 20. Februar 1953, findet sich noch eine Tagebucheintragung des zu
diesem Zeitpunkt angeblich schon Toten. Von da ab ist Massey auf der Suche nach
der Wahrheit, nach den mysteriösen Geschehnissen in Moskau Anfang 1953. Er
stellt fest, dass das Schicksal seines Vaters mit dem von Josef Stalin verwoben
war. So trifft er sich mit der einzig noch lebenden Person, die in dem Nachlass
des Vaters erwähnt wird, Anna Chorjowa, die aus einem sowjetischen Gulag floh
und Auskunft geben kann - über das Schicksal Stalins und des Vaters von William
Massey. Denn eines steht fest: "Stalin ist gestorgen, sicher, aber nicht
so, wie es in den Geschichtsbüchern steht" (S. 34). Schritt für Schritt
wird nun die Geschichte Jakob Masseys erzählt und die Geschehnisse von Winter
1952 bis zum März 1953 aufgerollt...
"Operation Schneewolf vereint die Kraft und Genauigkeit eines historischen
Romans mit der gnadenlosen Spannung eines Thrillers, der von einem Höhepunkt
zum nächsten jagt" - so urteilt "Cosmopolitan" auf dem
Buchrücken.
Nun war ich zunächst etwas skeptisch über diese enthusiastischen Kritiken.
Doch ich muss sagen: das Lesen hat sich gelohnt: ich habe seit Frederik
Forsyths: "
Des Teufels
Alternative" keinen so spannenden Politthriller mehr gelesen; die
Rezensionen auf dieser Seite geben ja auch ein eindeutiges Bild ab.
Spekulationen über Stalins Tod haben im übrigen niemals aufgehört. Schon
Robert Harris hat in "Aurora" Stalins Tod zum Thema eines spannenden
Politthrillers gemacht. Historisch ist bis heute nicht geklärt, wie Stalin
wirklich starb. Stalin-Biograph Robert Payne geht ebenso wie Prof. Abdurachman
Awtorchanow in: "Das Rätsel um Stalins Tod" (Ullstein 1976)von einem
unnatürlichen Ableben des sowjetischen Diktators aus. Auch die neueren
Biographien über den Nachfolger Lenins können - auch nach Öffnung der
russischen Archive - keine definitiven Auskünfte über diese Frage geben, auch
wenn sowohl Dimitri Wolkogonow, Robert Conquest und Heinz-Dietrich Löwe in
ihren Biographien übereinstimmend von einem natürlichen Tod des Diktators
ausgehen. Da niemand wagte, sein Zimmer zu öffnen, kam jede Hilfe zu spät. Die
Umstände seines Todes waren bezeichnend für das System der lähmenden Angst
und des Entsetzens, welches der Diktator zu seinen Lebzeiten geschaffen
hatte.
Diese Angst kommt auch gut in dem vorliegenden Buch zum Ausdruck. Der Autor,
Glenn Meade, beeindruckt durch seine Fähigkeit, sich in die russische
Mentalität einzufühlen. Schon das als Motto seines Buches gewählte
Sprichwort: "Das schwierigste Unterfangen ist nicht, die Zukunft
vorherzusagen, sondern die Vergangenheit" zeigt dies exemplarisch.
Die Charaktere sind lebensecht gezeichnet. Mich hat beim Lesen fasziniert, wie
einfühlsam der Autor die düstere Atmosphäre jener Jahre nachgezeichnet hat.