Das vorliegende Buch legt erstmals die Urfassung der Karl-May-Erzählung:
"Der Scout" in einer selbstständigen Urfassung vor. Der Scout fand -
leider in stark bearbeiter Form - Eingang in "Winnetou II". Über die
Gründe der Bearbeitung informiert ausführlich Prof. Dr. Claus Roxin in seiner
Einführung zum Repring der Hausschatz-Fassung durch die Karl-May-Gesellschaft
1997.
Geschildert wird die Verfolgungsjagd eines Verbrechers durch die Vereinigten
Staaten und Mexiko, wobei der Ich-Erzähler (in der späteren Winnetou
II-Fassung ist dies Old Shatterhand) und der ihn begleitende Westmann Old Death
Abenteuer mit der - heute in den Vereinigten Staaten noch aktiven -
Verbrecherbande des Ku-Klux-Klan (in der hier vorliegenden Fassung leider nur:
"Bande der Maskierten" genannt) bestehen müssen und in - äußerst
realistisch gezeichnete - Indianerkämpfe zwischen Komanschen und Apatschen
verwickelt werden. Zwar erleidet der Verbrecher seine Strafe (ein von ihm
entführter, zeitweise unter Geistesverwirrung leidender Bankierssohn kann
befreit werden), allerdings findet Old Death dabei den Tod.
Ich habe selten ein so eindrucksvolles Buch gelesen. Die Figur des Old Death,
des "Alten Todes", seine inneren Seelenkämpfe (die eindrucksvoll mit
den Bergen und Tälern der Bolson de Mapimi, einer Landschaft in Mexiko
verglichen und beschrieben werden), machen das Buch zu einem einmaligen
Erlebnis.
Prof. Dr. Claus Roxin ist darin recht zu geben, dass die Urfassung besser ist
als die Bearbeitung in Winnetou II. Diese geschah insbeondere deshalb, weil der
Ich-Erzähler, im Original ein echtes Greenhorn, in der bearbeiteten Fassung Old
Shatterhand sein mußte, der Winnetou schon längst kannte. In der bearbeiteten
Fassung im "Winnetou II" spielt er Old Death daher die Rolle des
Greenhorns nur vor, was zu Unstimmigkeiten in der Handlungsführung in der
bearbeiteten "Winnetou II"-Fassung führt. Literarisch ist die
Hausschatz-Fassung, so Prof. Dr. Roxin zu recht, die eindeutig bessere. Sie ist,
weil sie nicht nachträglich in eine schon bestehende Romanstruktur eingefügt
werden mußte, stimmiger in der Handlungsführung und konkreter im Detail.
Außerdem ist für den interessierten Karl-May-Leser witzig zu sehen, wie Old
Shatterhand realistisch als Greenhorn in seiner Unbeholfenheit und Hilflosigkeit
geschildert wird; dies ist später nie mehr der Fall.
Auch die Indianerkämpfe, die realistisch gezeichnet werden und - was für May
selten ist - ohne Versöhnung beendet werden, sind plastisch dargesetllt und in
der Tat ein "erzählerisches Glanzstück", wie Heinz Stolte, der erste
Karl-May-Biograph in seiner Studie: "Der Volksschriftsteller Karl-May"
bereits 1936 korrekt bilanzierte.
Insbesondere die Schuld- und Sühne-Thematik um den Westmann Old Death (für
mich neben Old Wabble in Old Surehand die eindrucksvollste Figur Karl Mays
überhaupt) hat mich tief beeindruckt und nicht mehr losgelassen.
Fazit
Das Werk ist - insbesondere in der Urfassung - sehr eindrucksvoll. Diese ist
aber nur als Reprintausgabe der Karl-May-Gesellschaft zu haben. Siegfried
Augustin hat das Verdienst, diese Urfassung erstmals als selbständige
Buchfassung wieder vorgelegt zu haben. Die Karl-May-Fans werden es ihm danken.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 07. September 2003 2003-09-07 14:36:28