Der russische Stern leuchtet über Gerechten und Ungerechten, so wie auch über
Pawel Aleksandrowitsch Dobrynin, der in der Kolchosversammlung seines
Heimatortes zum wahrhaftigen Volkskontrolleur des russischen Reiches gewählt
wurde. In hohem Grade unbeliebt bei seinen Mitbürgern, die ihre Abneigung sogar
auf seinen alten Hund Mitja übertrugen, so war er auch überdurchschnittlich
ehrenhaft und unbestechlich. Daher kam diese Auszeichnung nicht von ungefähr
und war so ehrenvoll, dass er Weib und Kind zurückließ - wenn auch nicht ohne
Kummer - und dem Ruf in den Norden des Landes folgte, wo es seiner dringend
bedurfte um Recht und Ordnung wieder herzustellen. Auf vornehmste Art und Weise
per schwarzem Automobil oder Schienenverkehr wurde er zuerst nach Moskau
geleitet und dann weiter, seiner eigentlichen Bestimmung zu. Mit kindlicher
Verwunderung, Erstaunen und nicht ohne Genuß schwelgte er in den Privilegien
der "upper-class" Leute, seien es köstliche Kekse zum Kaffee, ein
Büro mit Inventar, eine ansprechende "Ersatz" - Ehefrau für sein
politisches Leben oder ein eigenes Pferd, von dem er stolzgeschwellt Gebrauch
machte.
So wie Pawel Land und Leute seines geliebten und gestrengen Heimatlandes
kennenlernte, so wird auch der Leser im Weiteren mit skurilen Typen
bekanntgemacht, die der kritischen aber auch liebevollen Feder des Autors
entsprungen sind. So setzte ein Engel seinen Fuß auf russischen Boden um
irgendwo einen Menschen aufzuspüren, der es verdient hatte, einstmals in den
Himmel einzugehen - als der erste Gerechte, der auserwählt sein würde. Mit
einem bunt zusammengewürfelten Trüppchen macht er sich auf die Suche, allen
voran ein Mann, der auf dem Weg in das gelobte Land ist.
Diese Sorge hat der Künstler Mark nicht. Ihn bedrückt ein Edikt der
"Oberen", dass sein höchst sprechbegabter Papagei Kusma statt der
fröhlichen Verse, die er bisher vortragen durfte, nur noch politisch geprägte
Texte zum Besten geben darf und damit seinen Zuschauern keinen Anlaß mehr
bietet, bei seinem Anblick fröhlich zu sein. Auch Schuldirektor Banow fühlt
sich nicht recht wohl unter den täglich neuen Verordnungen, denen er sich
unterworfen sieht. Und doch - oder vielleicht auch deshalb - versucht er Klara
Rojd, der Tante eines seiner Schüler, das verlernte Träumen wieder
beizubringen. Und er zieht alle Register, auf dem Dach des Schulhauses, mit
einer guten Tasse russischen Tees in den Händen und dem Blick auf den Kreml, in
dessen Untergrund angeblich Lenin noch teilnahm am Geschick seines Landes.
Vorsichtig und zart zeigt sich sein aufkeimendes Gefühl für die ansprechende
Person - so wie alles im Sozialismus nur zaghaft keimen durfte, wenn es nicht
von Beginn an den komunistischen Segen hatte.
Andrej Kurkow ist ein ganz spezieller Autor, der es dem Leser nicht ganz einfach
macht. Man muß sich Zeit nehmen ein bißchen hinter die Worte zu schauen und
Zusammenhänge zur Hilfe zu nehmen, deren Aufklärung man oft noch aus weiteren
Bereichen herleiten muß.
Ich habe den Zugang zu dieser Lektüre nicht recht gefunden, es war deshalb
teilweise unbefriedigend für mich. Ich hatte ein schlechtes
"Lesegewissen", weil ich mich dem Roman nicht ganz zu öffnen
vermochte, leider. Ich hoffe, daß andere Leser besser damit zurecht kommen.
Fazit
Von Stellungnahmen der Presse her beleuchtet ist dieser Roman von Kurkow ein
gelobtes Werk, geschrieben mit sehr viel Humor und Situationskomik. Mir hat sich
diese Erkenntnis nicht eröffnet, mir waren die einzelnen Handlungsstränge
recht zusammenhanglos und konfus, sowie auch die einzelnen Protagonisten nicht
eindrucksvoll genug. Als Leser möchte ich das Manko allerdings auch bei mir
suchen. Vielleicht fehlt mir der Bezug zur russischen Mentalität und zur
Handhabung des dortigen Systems, um ein richtiges Lesevergnügen zu empfinden.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 29. August 2011 2011-08-29 20:20:15