Die Wiederentdeckung des Sinnlichen - "Spreewald - Eine sinnliche
Wanderung"
Während meiner Alkoholentwöhnung entdeckte ich wieder, was mir in nassen
Zeiten fast völlig verloren gegangen war. Das Gefühl für das Sinnliche, der
Zugang zu den Schönheiten der Natur. Die Geschmackssinne wurden wieder
freigelegt, die Geruchssinne vielfältiger. Und vor allem: Ich musste es erst
wieder lernen, das Sinnliche zu empfinden - und ich genieße es bis heute. Im
Wechsel vom Winter zum Frühling - duftender Wald, grüne Wiesen, die
sprießenden Knospen und herauskommenden Blüten und ihre Düfte, die Vögel
singen "wieder". Der Alkohol-Tunnel-Blick verschwand fast unbemerkt
und ich konnte mich den Schönheiten der Natur wieder hingeben. Später
entdeckte ich in der Großstadt auf den Wiesen Blumen, in den Parks den Duft des
Herbstlaubs. Ich hielt mein Gesicht wieder in die Sonne und empfand dies als
angenehm. Mich zog es ins grüne Umland nach Brandenburg, in die, ruhige, vom
Tourismus weitgehend unberührte Natur des Oderbruchs und anderer
Landschaften.
Nunmehr also aufnahmefähig und vorbereitet auf weitere Empfindungen und
Erfahrungen entdeckte ich ein wunderbares, absolut lesens- und anschauenswertes
Büchlein mit dem Titel "Spreewald - Eine sinnliche Wanderung". Mit
seiner Veröffentlichung legt Hans-Georg Schuster ein liebevolles Bekenntnis zum
Spreewald ab und lädt den Leser zum Wandern und Entdecken in eine einzigartige
Natur- und Kulturlandschaft ein. Spreewald verband sich in meiner Vergangenheit
mit "feucht-fröhlichen" Kahnfahrten. Nun wurde mein Blick auf ganz
Anderes gelenkt, auch wenn die Kanäle und Kähne sehr wohl eine Rolle spielen
bei Schusters Wanderungen. Die Texte fordern mich geradezu heraus, diesen
Flecken Erde erneut oder zum ersten Mal gemeinsam mit meiner Partnerin zu
entdecken.
Zuvor lässt der Autor den Leser und die Leserin an seiner Entdeckungstour
teilhaben. Die Wanderungen führen u.a. von Köthen um die Heideseen, zur
Schinkelkirche und zur Mühle von Straupitz, auf den Johannismarkt, durch die
"Zauberwelt Hochwald", ins Lagunendorf Lehde, oder um den
Schwielochsee. Auf der Rückseite des Buches heißt es u. a.: "...Geprägt
vom Labyrinth der 450 Fließgewässer, der Lebensweise der Menschen, ihrer
Geschichte und ihren Traditionen, entfaltet dieser Landstrich einen besonderen
Zauber. Das Buch zeigt Lebensräume der Menschen und das seit Jahrhunderten
eingespielte Zusammenwirken von Mensch und Natur."
Durch umfangreiche Recherchen, Detailtreue sowie die Herstellung von
historischen Zusammenhängen erhält der Leser hervorragende Einblicke in
Vergangenheit und Gegenwart, die Wechselwirkung von Natur und Mensch,
Lebensumstände, Sitten und Gebräuche der Menschen dieser einzigartigen
Kulturlandschaft. Es sind wirklich lebendige, beeindruckende Geschichten
wiedergegeben. Die über 90, zum Teil doppelseitigen großformatigen Fotografien
sowie die Naturbeschreibungen, die geschilderten Begegnungen mit den Menschen
dieser Region bilden nicht nur ab, sie geben Aufschluss darüber, was sich unter
der Oberfläche befindet. Sie sind stimmungsvoll und anregend. Das Buch ist mehr
als ein Reiseführer oder ein Bildband. Entstanden sind eine Liebeserklärung an
die Spreewälder und eine Einladung in den Spreewald, alles durchdrungen von
Sinnlichkeit in Sprache, fantastischen Fotos und spürbaren Empfindungen des
Autors und Fotografen zugleich. Das Buch hat mich berührt. Und so lese ich ab
und zu darin und lasse mich von den Bildern inspirieren, doch bald einmal im
Spreewald zu wandern. Das Beschriebene, das Buch also (und auch der Preis von
9,95 Euro) veranlassten mich, es meinen Freunden und Bekannten in diesem Jahr zu
schenken.
Fazit
brilliant, geschliffene sinnliche Sprache, beeindruckende Erlebnisberichte,
ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis, ein durch und durch sinnliches
Buch, ein Muss für jeden Naturliebhaber, fantastische Fotos
Vorgeschlagen von Schwebke
[Profil]
veröffentlicht am 19. Juli 2011 2011-07-19 16:35:22