London in ferner Zukunft. So beginnt der Klappentext und führt uns in eine
Stadt, die von der Aussenwelt vergessen ist und wo sich Clans um die Macht
streiten. Wenn man genauer hinsieht, findet man darin Teile des Nibelungenliedes
wie auch im Nachwort beschrieben den ersten Teil der isländischen
Völsungen-Saga. Nichts desto trotz findet Melvin Burgess seine eigene Art der
Erzählung, die dem Leser ohne weiteres zusagt.
London liegt darnieder. Die Regierung zog sich fluchtartig aus der Stadt
zurück und hat sie ihrem Schicksal überlassen. Die Häuser sind verlassen und
was gebraucht wird, wird aus den Ruinen geholt. Häuser werden abgerissen, man
holt sich Steine zum Bauen, Holz zum heizen, Möbel und was sich sonst noch
finden lässt. Zwischen den Ruinen, teils versteckt, wächst das, was man an
Lebensmitteln benötigt. Verschiedene Güter werden in die Stadt geschmuggelt,
immer auf der Hut vor den anderen, den Besitz erweckt Neid. Neid erweckt Gewalt
und zum Schluss kann es immer nur einen geben, der andere bleibt auf der
Strecke. Das Schicksal meint es mit den Überlebenden in der Stadt nicht gut.
Rivalisierende Gangster-Banden fochten ihre Kämpfe um die Herrschaft in der
Stadt aus, bis nur noch zwei Familien übrig blieben. London ist geteilt, die
Herrschaft üben die zwei Familien aus, die am brutalsten, hinterhältigsten und
grausamsten waren. Die Volsons und die Conors. Wer jetzt noch in der Stadt sein
Leben fristet, ist auf die Gnade der Stadtherren angewiesen, denn verlassen kann
diese Welt des Terrors niemand. Im Umkreis der Stadt leben die sogenannten
Halbmenschen. Das sind genetisch veränderte Kreaturen, teils Mensch, teils
Maschine, teils Tier. Obwohl sie untereinander auch wenig Frieden halten, sehen
alle in den Menschen einen leckeren Appetithappen.
Die Beherrscher der Ruinen bekriegen sich untereinander. Entweder man gehört
zu den Volsons oder zu den Conors oder ist tot. So einfach ist die erste Regel.
Die zweite ist nicht weniger einfach, je nach Sicht derjenigen, der sie
anwendet. Nur ein toter Conor / Volson ist ein guter Conor / Volson.
Nur einer versucht, dem Treiben ein Ende zu bereiten. Er will Frieden
schliessen. Dieser er ist niemand geringeres als der Clanchef der Volson, Val
Volson persönlich. Aus diesem Grund ist er gewillt seine Tochter Signy, seinem
Erzfeind Conor zur Frau zu geben.
Dieser Frieden währt nicht eine Hochzeitsnacht lang. Conor, den Signy zuerst
tatsächlich süss fand, nutzt den Frieden aus, um Signys Familie in einen
Hinterhalt zu locken und zu ermorden. Die Hochzeit in Westminster Abbey wurde
damit zur Farce. Lediglich Signys Zwillingsbruder Siggy überlebt das Massaker.
Signy erfährt dass Siggy lebt und will jetzt nicht nur Rache um den Tod ihrer
Familie zu rächen, sondern sie will Siggy retten. Conor jedoch, der sie
tatsächlich liebt und bei ihrer ersten Begegnung sogar rot wurde, dem spielt
sie die Geliebte vor. Dabei macht sie aus ihrem Herzen eine Mördergrube, denn
sie plant seinen Tod.
Fazit
Die Geschichte ist leider so brutal, der Titel Programm. Melvin Burgess ist kein
Autor von typischen Jugendbüchern. Er schreibt, was er denkt und der Leser muss
durch oder er bleibt auf der Strecke und das Buch ungelesen in der Ecke liegen.
Wer weiterliest, wird mit einer Erzählung belohnt, die manch ein Erwachsener
nicht besser schreiben könnte. Der Schreibstil ist sehr jugendlich gehalten,
biedert sich in der Sprache aber nicht an. Daher werden sich die Jugendlichen,
die das Buch lesen, angesprochen fühlen und nicht verschreckt ablehnen. Dabei
ist er bei seinen Ich-Erzählern und der Art wie sie sprechen immer
abwechslungsreich und vor allem ehrlich. Gewalt ist da, wird aber nicht
beschönigt und nicht verteufelt. Von den verwöhnten Zwillingen Signy und
Siggy, zum Schlaffi Connor, der seine Schwäche mit Gewalt überdeckt, bis hin
zu den Halbmenschen, die fast wirklicher Mensch sind, als die Menschen selbst,
finden sich viele originelle Gestalten. Es ist durchaus möglich, sich mit allen
Handlungsträgern zu identifizieren.
Wer Lust auf einen originellen Roman hat, kann unbesorgt zugreifen. Klappt man
das Buch nach der letzten Seite zu, bleibt erst einmal ein nachdenklicher Leser
zurück, der einiges verdauen muss.
Vorgeschlagen von erik schreiber
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veröffentlicht am 04. Juli 2011 2011-07-04 10:14:39