Neverending Story
Was ist nicht alles schon in den letzten Jahrhunderten über die katholische
Kirche mit ihrem Zentrum in Person der Päpste und im Ort des Vatikan
geschrieben worden. Thriller, Lobpreisungen, Sachbücher, kritische
Auseinandersetzungen, Hasstiraden, mystisches und politisches. Wohl kaum eine
Institution und kaum eine Religion polarisiert auf dieser Welt
schriftstellerisch in gleicher Weise wie der Katholizismus mit seinen Dogmen,
seiner Inquisition, seinen geheimnisvollen und verschwiegenen (auch
finanziellen) Wegen und seinen, immer wieder mythisch-spanennden
"Geheimarchiven".
In diesem Reigen der Veröffentlichungen gedenkt Corrado Augias einen besonderen
Akzent nun zu setzen. Wie der Titel des Buches verrät, will er, als intimer
Kenner, den Geheimnissen des Vatikan auf die Spur kommen, quasi auf leisen
Sohlen durch die altehrwürdigen Gänge schleichen und den Leser dabei
mitnehmen.
Sicher rekurriert er dabei im Buch auf einige der dunklen Kapitel gerade auch
der neueren Geschichte der römischen Kirche. Er macht keinen Bogen um die
unleidliche Haltung den Juden gegenüber im zweiten Weltkrieg, er verweist
intensiv auf die finanziellen Verwicklungen des Vatikan, die gerade in Bezug auf
einen Einbruch in die Vatikanbank überdeutlich in den Raum treten. Und ja, er
führt ein in die Privatgemächer der Päpste und beleuchtet noch einmal die
(ebenfalls unrühmliche und rein machtpolitisch orientierte) Mitwirkung der
Päpste bei der Zerschlagung des Templerordens (an sich schon Stoff für
unzählige mystisch angehauchte Bücher). Im letzten Kapitel führt er zudem vor
Augen, wie weit die Ränkeschmiede und die Verzahnung des ultra-konservativen
"Opus Dei" im Vatikan der Gegenwart sich Raum greift.
Vielfache Fäden, die Augias in unterhaltsamer und gefälliger Sprache zentriert
in seiner grundsätzlich kritischen Anfrage an die Verfassung einer Religion als
"Staatsgebilde" auffädelt. Hierin sieht Augias die Wurzel (allen?)
des Übels der Grausamkeiten und machtpolitischen Verflechtungen des Vatikans,
in der Austarierung einer "geistlichen Aufgabe" und der
"politischen Natur eines Staates". Eine Verflechtung, die bis heute,
folgt man den Gedanken Augias, nicht aufgehört hat, die "alte, nie
widerrufene Idee der politischen Vormachtstellung" des Vatikan gegenüber
der Welt zu verfolgen.
Hierbei legt Augias seine Finger weniger in schwärende Wunden, eher
beschreibend folgt er seinen diversen "Geschichten" und versucht nicht
zwanghaft, aus all diesen abzuleiten, dass politisches Machtstreben sich mit
einer Religion kaum vereinen lässt. Hintergründig aber schwingt diese
Grundannahme beständig im Buch mit. Ein durchaus schlüssiger Gedanke,
übrigens, der durch die Darstellungen im Buch fundiert belegt wird. Ebenso
bietet das Buch eine interessante Zusammenstellung verschiedener Umstände,
Geschehnisse und Ereignisse über die Jahrhunderte hinweg, die allesamt durchaus
interessant zu lesen sind.
Das Buch krankt allerdings an anderer Stelle, nämlich in der Lücke zwischen
Anspruch und, allein schon durch den Titel, in den Raum gesetzter Erwartung und
dem, was wirklich nachzulesen ist. "Geheimnisse" nämlich
(Enthüllungen, Empörendes, gänzlich Unbekanntes) finden sich nicht im Buch.
Alle Informationen, die Augias nutzt, sind nachlesbar. Entweder jüngeren Datums
in der Presse und diversen Veröffentlichungen oder in historischen Fachbüchern
vielfacher Natur. Gut recherchiert und geschickt zusammengestellt, ja. Neues,
geheimnisvolles, unbekanntes, nein.
Das Buch eignet sich als interessante historische Lektüre und Zusammenstellung
bisher eher getrennt vorliegender Ereignisse. Eine wie immer geartete Erwartung
der Offenlegung von "Geheimnissen" und verborgenen Ränkeschmieden
aber wird das Buch nicht gerecht. Augias reiht sich so ein in die unübersehbare
Phalanx von Autoren, die sich dem unerschöpflichen Thema einer 2000jährigen
Institution nähern. Wobei er beileibe keine schlechte Annäherung vorlegt.
Fazit
Das Buch eignet sich als interessante historische Lektüre und Zusammenstellung
bisher eher getrennt vorliegender Ereignisse. Eine wie immer geartete Erwartung
der Offenlegung von "Geheimnissen" und verborgenen Ränkeschmieden
aber wird das Buch nicht gerecht. Augias reiht sich so ein in die unübersehbare
Phalanx von Autoren, die sich dem unerschöpflichen Thema einer 2000jährigen
Institution nähern. Wobei er beileibe keine schlechte Annäherung vorlegt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. Juli 2011 2011-07-01 13:17:07