Andreas Wirsching hat auf 124 Seiten eine hervorragende Überblicksdarstellung
über "Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert" vorgelegt, die
gleichermaßen Ereignisgeschichte, Gesellschaftsgeschichte, Wirtschafts- und
Sozialgeschichte vom Kaiserreich bis zum Ende des Jahrhunderts darlegt.
Wirsching untersucht zunächst die Frage, ob es einen deutschen Sonderweg in der
europäischen Entwicklung gegeben habe und bejaht diese Frage. Absolute
Monarchie, Kompromisscharakter der Reichsverfassung von 1871 zwischen
monarchischem, demokratischen und ständestaatlichen Elementen, die geringe
Bindungskraft der Parteien, die Gleichzeitigkeit zwischen Industrialisierung und
Beharrung der ostelbischen Eliten, deren "Zeit" eigentlich abgelaufen
war und die sich deshalb kompromißlos jeglicher Veränderung widersetzten, der
Hang zu ideologischen Doktrinen, all dies gehörte - wie Wirsching kompetent
nachweist - zu den spezifisch deutschen Elementen, die die ungelösten Konflikte
im deutschen Kaiserreich manifestierten und bis in die Weimarer Republik als
"Erbe" nachwirkten. Deren Geschichte wird - in Anlehnung an die
Publikation "Die Weimarer Republik: Politik, Wirtschaft und
Gesellschaft" des Verfassers kompetent auf 22 Seiten beschrieben, wobei es
dem Verfasser gerade hier gelingt, die wesentlichen wirtschaftlichen,
politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen überblicksartig darzustellen.
Hervorragend ist Wirsching auch die Darstellung von Diktatur im Dritten Reich
und Grundzügen des Weltkrieges gelungen, wobei Hitler als "starker
Diktator" begriffen wird. Insbesondere die Judenvernichtung und die
Rassenideologie des Nationalsozialismus sind ohne die Person Hitlers nicht
denkbar. Ebenso wäre der Zweite Weltkrieg ohne den Willen Hitlers, der diesen
als Eroberungs- und Vernichtungskrieg plante, wie Wirsching nachweist, nicht
möglich gewesen. Dass es nach 1945 möglich war, ein stabiles demokratisches
Staatswesen aufzubauen, war, wie Wirsching belegt, neben der konsequenten
Entmachtung der Nationalsozialisten und ihrer Ersetzung durch überzeugte
Demokraten insbesondere der "doppelten Entmachtung" der Kräfte zu
verdanken, die ganz dezidiert einen antiwestlichen deutschen
"Sonderweg" gewollt hatten (S. 94).
Hervorragend wird auch die Geschichte der Bundesrepublik und der DDR
nachgezeichnet, wobei dies dem Verfasser im Kapitel 4 auf 38 Seiten gelingt.
Dass es Wirsching auch hier gelungen ist, gleichermaßen außen-, innen-,
wirtschafts- und gesellschaftspolitische Aspekte abzuhandeln und kompetent zu
vermitteln, ist meines Erachtens die Leistung des vorliegenden, gut als
Einführung auch für Schüler zu lesenden Buches. Der Anspruch des Verfassers,
auf "knappstem Raum" Basisinformationen zu vermitteln, ist ihm
gelungen. Ich habe nicht das Gefühl, dass wesentliche Faktoren ungesagt oder
unberücksichtigt geblieben sind.
Fazit
Für mich ist dieses Buch daher wirklich eine Meisterleistung.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 26. August 2003 2003-08-26 21:23:33